Christoph Schwarz New Voices
Christoph Schwarz, filmischer Schmähbruder mit Haltung: "Ich habe mich in diesen Jahren im Klimaaktivismus verloren, aber gleichzeitig gefunden."
Stadtkino

Was ist ein Mockumentarfilm? Nur ein Spielfilm im Doku-Kostüm oder doch ein drittes Geschlecht im Yin-Yang von Realität und Fiktion? Ein Nonbinary-Film sozusagen, passend zu aktuellen Debatten, die engstirnige Entweder-oder-Puristen so verlässlich aufregen?

Der Wiener Christoph Schwarz hat darauf in seinem Langfilmdebüt Sparschwein eine ganz eigene, aufregende Antwort gefunden. Der Film feiert am Donnerstag seine Wien-Premiere im Stadtkino in Kooperation mit der Klima-Biennale. Sparschwein bildet den Auftakt für die neue Nachwuchsreihe "New Voices", zusammen mit dem beim Max-Ophüls-Festival ausgezeichneten Coming-of-Age-Drama Wer wir einmal sein wollten von Özgür Anil (ab Freitag). Mit dem neuen Verleihmodell des Stadtkino-Verleihs sollen junge Talente in die österreichischen Arthouse-Kinos gebracht werden, von Wien über Krems und Linz bis Graz, Salzburg und Innsbruck. Pro Jahr sind eine Frühjahrs- und eine Herbstausgabe mit je zwei Filmen geplant.

Geld verbrennen

Sparschwein ist ein verspielter Start dafür. Christoph Schwarz treibt darin die Fiktionalitäts-Schmähs seiner bisherigen Kurzfilme auf die Spitze. Diesmal will er Förderungen zum Thema "Klimastreik" abgreifen. Sein Konzept: ein Jahr ohne Geld leben, Konsumkritik als Selbstversuch, "Geldstreik!". Um Authentizität vorzutäuschen, lässt Filmemacher Schwarz seinen Protagonisten Schwarz kurzerhand die Gage verbrennen. Denn "die geringsten CO2-Emissionen würde Geld paradoxerweise dann verursachen, wenn es verbrennt".

Doch Moment! Ist das Filmprojekt etwa nur ein Nebenprodukt von echtem Aktivismus? Sparschwein durchbricht genau diese künstlerische Verwertungslogik. Im Lauf der 97 Filmminuten legt uns Schwarz immer wieder raffiniert mit ethischen Henne-Ei-Fragen. Nie ist ganz klar, was ist wahr und was nicht, was gefunden und was dazuerfunden. Engagement gegen Autoverkehr und Wachstumsdogma kann auch als Kunstaktion wirksam sein – und umgekehrt. Etwa wenn Schwarz ein gelbes Cabrio mit Kräutern vollpflanzt und mit einem Anwohnerpickerl einfach irgendwohin parkt. Aktionismus als Aktivismus, aber immer selbstironisch. Nebenbei wird so die Doppelmoral thematisiert, die sowohl Kunstaktionen als auch Klimaprotesten verlässlich vorgeworfen wird.

Filmaktivismus

Mit seinem humorvollen Filmaktivismus gegen die bierernst-bremsende Autolobby gelingt Christoph Schwarz ein leichtfüßiger Dreisprung: Sein Sparschwein ist verspielt, unprätentiös und beweist dabei Haltung. Und im Gegensatz zur Geldverbrennung gibt es Aktionen wie das Cabrio-Beet oder die samstäglichen Fahrraddemos auf dem Gürtel wirklich. Denn die Erderhitzung ist auch in Wien kein Schmäh. (Marian Wilhelm, 22.5.2024)