Die Datierung archäologischer Funde ist eine knifflige Angelegenheit, insbesondere wenn es sich um sehr alte Entdeckungen handelt. Umso erstaunlicher ist daher die Leistung von Schweizer Forschenden, die eine über 7000 Jahre alte Siedlung im Norden Griechenlands praktisch aufs Jahr genau datieren konnten. Eine so genau Altersbestimmung sei in dieser Region bisher nicht gelungen, berichtet die Universität Bern. Für diese ungewöhnliche Genauigkeit kombinierte das Team Jahrringmessungen an Gebäudeteilen aus Holz mit Daten über ein signifikantes kosmisches Ereignis.

In der Archäologie spielt die Datierung eine zentrale Rolle. Erst die Altersbestimmung ermöglicht die Einordnung eines Fundes in einen größeren historischen Kontext. In den vergangenen Jahrzehnten haben sich zwei Datierungsmethoden besonders bewährt: die sogenannte Dendrochronologie, die die Datierung auf Basis von Jahrringkalendern der Bäume ermöglicht, und die Radiokarbondatierung, welche das ungefähre Alter der Fundstücke mit dem Zerfall des in den Baumringen enthaltenen radioaktiven Kohlenstoffisotops 14-C berechnen kann.

Pfahlfeld der Fundstelle von Dispilio
Das Pfahlfeld der Fundstelle von Dispilio. Knapp 800 Pfähle, mehrheitlich aus Wacholder- und Eichenholz, wurden beprobt und untersucht.
Foto: Dispilio Excavation Archive

Kosmischer Niederschlag

Einem Team des Explo-Projekts unter Leitung des Instituts für Archäologische Wissenschaften der Universität Bern ist es nun gelungen, Bauhölzer der archäologischen Fundstelle Dispilio in Nordgriechenland – wo eine jahrgenaue Datierung bisher nicht möglich war – verschiedenen Hausbauaktivitäten zwischen 5328 und 5140 vor Christus präzise zuzuordnen. Die Forschenden machten sich dabei den Niederschlag energetischer Partikel zunutze, die sicher in das Jahr 5259 v. Chr. datiert werden können.

Die Dendrochronologie verwendet charakteristische Muster von breiten und schmalen Jahrringen im Holz, die durch klimatische Bedingungen beeinflusst werden. So kann ein Holzobjekt durch den Vergleich der Jahrringbreiten mit bereits bestehenden Standard- oder Regionalchronologien datiert werden. "In Mitteleuropa gibt es einen solchen Jahrringkalender, der heute knapp 12.500 Jahre in die Vergangenheit zurückreicht – in das Jahr 10.375 v. Chr.", sagt Andrej Maczkowski von der Universität Bern.

Hilfreiche Sonneneruptionen

Ein verlässlicher Jahrringkalender existiert allerdings nur für bestimmte Regionen. Für viele Gegenden rund um das Mittelmeer beispielsweise fehlt ein durchgehender Kalender. Dann bleibt nur die Radiokarbonmethode, doch C-14 mit seiner Halbwertszeit von 5730 Jahren liefert nicht besonders exakte Ergebnisse. "Die Genauigkeit solcher Einordnungen liegt im besten Fall im Bereich von Dekaden", sagt Maczkowski.

2012 zeichnete sich eine Lösung des Problems ab: Die japanische Physikerin Fusa Miyake entdeckte, dass ein massiver Zustrom kosmischer Strahlung, vermutlich aufgrund von Sonneneruptionen, einen starken Anstieg des C-14-Gehalts in der Atmosphäre verursachen kann, der sich in Baumringen der jeweiligen Jahre niederschlägt.

Auf Basis von Jahrringkalendern können diese starken Anstiege genau datiert werden, und weil sie globale Ereignisse sind, sind sie gerade in Regionen ohne durchgehende Jahrringchronologien wichtige Ankerpunkte. Heute ist ein Dutzend dieser Miyake-Ereignisse bis 12.350 v. Chr. bekannt, die zwei wichtigen Ereignisse 5259 und 7176 v. Chr. wurden erst 2022 entdeckt.

prähistorische Seeufersiedlungen aus der Zeit von 5700 bis 500 v. Chr.
In der Region im Norden Griechenlands, in Albanien und in Nordmazedonien liegen die Überreste zahlreicher prähistorischer Seeufersiedlungen aus der Zeit von 5700 bis 500 v. Chr.
Illustr.: Universität Bern/Andrea Bieri

Erstmals genau datiert

Dem Forschungsteam der Universität Bern ist es nun auf Grundlager dieser Methode gelungen, jahrtausendealte Funde vom nordgriechischen Orestida-See ungewöhnlich exakt zu datieren. Die Forschenden analysierten dafür Proben von 787 Bauhölzern aus der archäologischen Fundstelle Dispilio. Das im Fachjournal Nature Communications präsentierte Ergebnis ist eine 303 Jahre umfassende Jahresringchronologie, die im Jahr 5140 v. Chr. endet.

Die ermittelten Siedlungsphasen belegen erstmals verschiedene Hausbauaktivitäten über 188 Jahre hinweg zwischen 5328 und 5140 v. Chr.. Mit zahlreichen Radiokarbondatierungen von einzelnen definierten Jahrringen konnte die Gruppe um Maczkowski einen raschen Anstieg des Radiokarbongehalts in dieser Zeit erkennen, passend also zum Miyake-Ereignis von 5259 v. Chr., was die Funde zeitlich ganz in die Nähe dieses Ankerpunktes platziert.

Breites Betätigungsfeld

"Der Balkan ist damit die erste Region weltweit, die vom erwähnten Paradigmenwechsel profitiert und unabhängig von einem durchgehenden Kalender erfolgreich absolute Datierungen ermitteln kann", so Albert Hafner von der Universität Bern, der Letztautor der Studie.

Auf dem Balkan finden sich die ältesten Seeufersiedlungen Europas, deren Fundstellen bis auf kurz nach 6000 v. Chr. datiert werden. Diese Region spielte bei der Ausbreitung der Landwirtschaft in Europa eine Schlüsselrolle. Die Forschenden hoffen, dass auf Basis ihrer Chronologie neue Einblicke in diese Ära möglich werden. (red, 26.5.2024)