Grünen-Generalsekretärin Olga Voglauer und EU-Spitzenkandidatin Lena Schilling bei der Pressekonferenz am Mittwoch.
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Wenige Tage nachdem sich Lena Schilling, EU-Spitzenkandidatin der Grünen, erstmals zu manchen über den STANDARD publik gewordenen Vorwürfen geäußert hatte, trat sie am Mittwoch erneut vor die Medien, um zu neuesten Enthüllungen Stellung zu beziehen.

Gleich eingangs sagte Schilling, dass sie "extrem wütend" sei und "an einem Punkt, an dem es mir reicht". Ein Rücktritt komme für sie allerdings nicht infrage, machte Schilling klar. Sie wolle und werde weitermachen, davon halte sie "auch niemand ab". Aufgrund des Rückhalts, den sie in den vergangenen Wochen von den Grünen erfahren habe, wolle sie nun auch ein Zeichen setzen, daher habe sie am Mittwoch einen Antrag auf Parteimitgliedschaft gestellt. Ursprünglich habe sie zwar "kein Mitglied der Grünen werden" wollen, jetzt aber habe sie "einen Entschluss gefasst": "Ich stehe hier als eine Grüne", sagte Schilling.

Wechsel zur Linksfraktion "Bullshit"

Wie am Dienstag berichtet, soll Schilling mit mehreren Personen aus ihrem Umfeld Überlegungen angestellt haben, nach der Wahl zum Europäischen Parlament die Grünen zu verlassen und sich stattdessen der Linksfraktion anzuschließen. Sie selbst dementierte auf Anfrage des Spiegel, mit dem DER STANDARD im Rahmen einer Kooperation zusammenarbeitet, solche Erwägungen und wies sie auch im Rahmen der Pressekonferenz "in aller Deutlichkeit" als "Bullshit" zurück. "Das war nie ein Thema, und das stimmt einfach nicht."

In einem Chat, der dem STANDARD vorliegt, schreibt Schilling Ende Jänner 2024: Am 24. Februar werde sie offiziell zur Spitzenkandidatin gekürt, "dann bin ich gewählt, und die Grünen können nichts mehr machen muhahha". Laut ihrer Gesprächspartnerin habe sie sich dabei auf die Pläne bezogen, der Linksfraktion beizutreten. Laut Schilling stammt dieser Chat aus einem anderen Zusammenhang. Am Mittwoch erklärte die EU-Spitzenkandidatin, dass die Chatnachricht so zu verstehen sei, dass es nach ihrer Kür zur Spitzenkandidatin de facto kein Zurück mehr geben würde, sie dann wieder laut auf der Straße Politik machen und sich für ihre "eigenen politischen Positionen" starkmachen könne. "Diese Nachricht als Beweis zu nehmen, dass ich nicht grüne Politik machen will, finde ich fatal."

Video: Lena Schilling: "Ich bin extrem wütend."
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Außerdem schrieb Schilling in einem Chat, der dem Spiegel vorliegt, sie habe ihr Leben lang "niemanden so sehr gehasst" wie die Grünen. Die Nachricht verfasste sie, als bereits Termine mit Sigrid Maurer, Werner Kogler und dem grünen Bundesvorstand für eine Spitzenkandidatur stattgefunden hatten. Sie habe nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass sie den Grünen früher kritisch gegenübergestanden sei, denn "wo man viele Erwartungen hat, übt man auch harte Kritik", erklärte Schilling. Aber sie wolle "ernsthaft" Klimapolitik machen, und das gehe nur mit den Grünen, deshalb habe sie sich zur Kandidatur entschieden. Schilling betonte in diesem Zusammenhang auch, dass ihr "soziales Umfeld eines gemeinsam" habe: "Viele lehnen die Grünen ab." Deshalb gefalle ihre Kandidatur wohl nicht jeder und jedem.

Grüne beschuldigen SPÖ und KPÖ

Die Parteispitze hält jedenfalls nach wie vor eisern an ihrer Spitzenkandidatin fest. Das stellte Generalsekretärin Olga Voglauer am Mittwoch an Schillings Seite erneut klar. Voglauer nannte Schilling ein "politisches Ausnahmetalent", um das sich "unterschiedliche Parteien gerissen" hätten. Dass Schilling sich für die Grünen entschieden habe, würden ihr manche "schlimmstens übel" nehmen.

Die Berichterstattung und Medienanfragen zu Schilling bezeichnet Voglauer als "hemmungslosen Versuch, eine junge, engagierte Frau fertigzumachen" und sie in den Ruin zu treiben. Und "es hört nicht auf", obwohl "die Grenzen überschritten" seien und niemand wisse, "wohin das führen" werde. Es werde in Medien über Gerüchte und Chats aus Schillings höchstpersönlichem Lebensbereich berichtet, "und meiner Meinung nach ist das falsch".

Die Gerüchte kämen stets von denselben paar Personen, "mitten im Kreise der SPÖ" und "mitten im Kreise der KPÖ", meinte die Generalsekretärin. Diese würden davon profitieren und hätten "ein persönliches Interesse" daran, dass Schilling nicht erfolgreich sei. Außerdem stellte Voglauer ohne Belege eine Verschwörungstheorie in den Raum, wonach der rote EU-Spitzenkandidat Andreas Schieder in die Veröffentlichungen über Schilling involviert sein könnte.

Voglauer revidiert Aussage zu "Silberstein-Methoden"

Voglauer sprach in diesem Zusammenhang gar von "Silberstein-Methoden" und spielte damit auf das Dirty Campaigning der SPÖ gegen die ÖVP im Nationalratswahlkampf 2017 an, an dem der israelische Politikberater Tal Silberstein maßgeblich beteiligt war. Für diese Aussage erntete Voglauer nach der Pressekonferenz heftige Kritik, zumal der Begriff "Silberstein-Methoden" mitunter von antisemitischen Konnotationen überlagert ist. Auch einige prominente Grüne distanzierten sich via X von der Wortwahl.

Am frühen Nachmittag ruderte Voglauer dann selbst zurück und distanzierte sich von ihren Formulierungen auf der Pressekonferenz. Die Rede von "Silberstein-Methoden" sei ein Fehler gewesen, den sie bedaure. Sie habe auch keinen Grund, an der Redlichkeit von SPÖ-Spitzenkandidat Schieder zu zweifeln, schrieb Voglauer auf X: "Mir ist damit ein Fehler passiert, der mir nicht passieren hätte dürfen."

SPÖ weist Vorwurf zurück

Die SPÖ wies den Vorwurf, man sei an einer Schmutzkübelkampagne beteiligt, scharf zurück. Parteichef Andreas Babler betonte, es gebe "keine Verbindung einer SPÖ mit Lena Schilling". Von irgendwelchen Treffen von Personen aus dem roten Umfeld mit ihr wisse er nichts.

Schilling steht bereits seit zwei Wochen in Kritik, nachdem DER STANDARD über mehrere Fälle berichtet hat, in denen die EU-Spitzenkandidatin schädigende Unwahrheiten verbreitet haben soll. Unter anderem musste sie sich im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs verpflichten, nicht länger Gewaltgerüchte über das Polit-Ehepaar Bohrn Mena zu verbreiten. DER STANDARD hatte wochenlang recherchiert und Gespräche mit rund fünfzig Personen aus Schillings Umfeld geführt, die fast einhellig von ähnlichen Vorgängen berichten. (Sandra Schieder, Theo Anders, 22.5.2024)