Friederike
Das ist Fritzi, Laufinstruktorin und Frauenlauf-Legende. Am Sonntag wird sie nicht von ungefähr mit Startnummer 80 laufen. Fritzi wird heuer 80 Jahre alt, am 24. Dezember. "Ein Christkindl bin ich."
HELENA LEA MANHARTSBERGER

Wien – Im Februar hat Karen (66) "von den Ärzten das Go bekommen". Grünes Licht für den Frauenlauf. Eigentlich wäre Karen gerne schon im Vorjahr dabei gewesen, Herzprobleme und die Implantation einer neuen Aortenklappe kamen dazwischen. Im April überwand sie sich und tauchte zum ersten Mal an einem Mittwochabend beim Frauenlauftraining auf. "Ein Neubeginn", sagt die pensionierte Gymnasiallehrerin, die in ihrer Jugend gerne, aber danach nicht mehr gelaufen ist. Nun war und ist sie regelmäßig auf der Hauptallee unterwegs. Aber pomali, pomali, ein Schritt nach dem anderen. Im Abschlusstraining am Mittwoch sei sie "fleißig mitgelaufen", doch ganz am Ende musste sie doch "ein wenig Schritt gehen".

"Ich hab der Karen gesagt, sie wird das sicher schaffen am Sonntag." Fritzi leitet die Gruppe der Laufanfängerinnen, die sich keine Zeit vorgenommen haben, wenn am Sonntag der 36. Asics Österreichische Frauenlauf steigt. Durchhalten, durchkommen, Spaß haben, so lautet das Ziel. Karen wäre "megastolz", wenn sie ungefähr 51 Minuten für die fünf Kilometer benötigt.

Frauenlauf Karen letztes Training
Karen ist "vor allem froh, dass ich ins Laufen gekommen bin". Eigentlich wollte sie schon im Vorjahr beim Frauenlauf dabei sein, doch dann kamen gesundheitliche Probleme dazwischen.
HELENA LEA MANHARTSBERGER

Natürlich gibt es andere, die schneller sind, nicht nur die Stars des Events, etwa Österreichs Marathonrekordlerin Julia Mayer oder die Britin Eilish McColgan oder auch die Portugiesin Rosa Mota, die 1988 Marathon-Olympiasiegerin war und gleich alt ist wie Karen. Und es gibt andere, die zehn Kilometer laufen werden. Aber Karen geht es nicht um die anderen, Karen geht es um sich und darum, dass es ihr gutgeht. "Einen kleinen Ehrgeiz hab ich schon", sagt sie. "Aber vor allem bin ich froh, dass ich ins Laufen gekommen bin." Gut möglich, dass sie anderen Frauen, die vielleicht ebenfalls gesundheitliche Probleme hatten oder haben, als Vorbild dienen kann. Sie selbst hat auch ein Vorbild: Fritzi, ihre Instruktorin.

Fritzi, die eigentlich Friederike heißt, wird am Sonntag nicht zufällig die Startnummer 80 tragen. Fritzi wird heuer nämlich 80 Jahre alt, am 24. Dezember, um genau zu sein. "Ein Christkindl bin ich", sagt sie. Und eine Legende unter den Laufinstruktorinnen ist sie auch. Sie war 1983 dabei, als der Frauenlauf in Laxenburg aus der Taufe gehoben wurde, 1984 rannte sie in Wien ihren ersten Marathon, 16 weitere sollten folgen. Noch im alten Jahrtausend wurde sie von Frauenlauf-Organisatorin Ilse Dippmann gefragt, "ob ich eine Gruppe trainieren will". Und jetzt tut sie das seit 24 Jahren.

148 Trainingsgruppen

Anfang März, es war kalt, dunkel und neblig, stand Dippmann an einem Mittwochabend mitten auf der Hauptallee auf einem Stockerl, um 250 Frauen zum Trainingsauftakt zu begrüßen. Vergangenen Mittwoch, bei Sonnenschein, stand sie wieder dort, vor allem, um sich bei den Instruktorinnen zu bedanken und Blumensträuße zu überreichen. Allein am Mittwoch verteilen sich 250 Frauen im Prater auf 18 Lauf- und zwei Nordic-Walking-Gruppen, landesweit gibt es an fast 60 Standorten nicht weniger als 148 Trainingsgruppen.

Sophia Frauenlauf Organisation letztes Training
Für Sophia war es "eine coole Experience", zweimal einzuspringen, als eine Trainerin ausgefallen war. Just in der Frauenlaufwoche kommt sie kaum zum Laufen, weil sie zum Kernteam der Organisation gehört.
HELENA LEA MANHARTSBERGER

Leicht verwundert war Fritzi darüber, dass ihre Gruppe heuer etwas kleiner war als sonst. "Insgesamt waren wir zu acht, davon sind vier von Anfang an dabei. Einige sind abgebröckelt, andere sind unterwegs dazugekommen." Dass es weniger Neueinsteigerinnen gibt, könnte daran liegen, dass schon in den vergangenen Jahren sehr viele Frauen zu laufen begonnen haben. Kein Vergleich zu jener Zeit, als Fritzi noch berufstätig war, in der Wiener Innenstadt eine PSK-Bankfiliale leitete und fast noch mehr auffiel, wenn sie eine Laufrunde drehte. "Manchmal wurden wir sogar beschimpft", erinnert sie sich. "'Gehts heim, gehts kochen', haben die Leute gerufen."

Jetzt ist Fritzi stolz darauf, dass sich viele, die in den vergangenen Jahren mit ihr gelaufen sind, mittlerweile der quasi nächsten Gruppe angeschlossen haben. Das ist die Gruppe, die Karin leitet. Wer in den vergangenen Wochen mit ihr unterwegs war, will am Sonntag nach 40 bis 45 Minuten im Fünf-Kilometer-Ziel sein. Zum Beispiel Daniela will das. Die 54-Jährige, die in einer Softwarefirma im Vertrieb tätig ist, hat heuer nach sieben Jahren wieder begonnen zu laufen. Seit 13 Jahren nimmt sie am Frauenlauf teil, zuletzt stets im Nordic-Walking-Bewerb. "Heuer hab ich mir gedacht: Gib dir wieder einen Stoß."

20 Kilo weniger

Seit Jahresbeginn hat Daniela 20 Kilo abgenommen, das regelmäßige Laufen hilft ihr dabei. Wie viele andere bestreitet sie neben dem fixen Training am Mittwoch noch zwei weitere Trainingseinheiten. Daniela will "viele Frauen motivieren, die in einer ähnlichen Lage sind wie ich. Ich will ihnen zeigen, was möglich ist." Und am Sonntag will sie "viel Spaß haben und durchlaufen".

Frauenlauf Daniela letztes Training
Daniela hat seit Jahresanfang 20 Kilo abgenommen. Das regelmäßige Laufen tut ihr gut. Vor dem Frauenlauf am Sonntag und danach hilft sie im Info-Zelt mit.
HELENA LEA MANHARTSBERGER

Vor dem Lauf, nämlich am Sonntag ab 7.30 Uhr, und danach sowie auch schon am Samstag ist Daniela im Info-Zelt anzutreffen. Sie gehört zum Info-Team des Frauenlaufs, ist eine von unzähligen Helferinnen. In der Frauenlaufwoche sind hunderte Freiwillige im Einsatz, sie geben T-Shirts und Startnummern aus, sie haben 25.500 Sackerln mit Goodies befüllt, sie organisieren Ersatzchips, sie hängen Medaillen um, sie informieren und, und, und.

Im Fall von Sophia (20) ist der Asics Frauenlauf ein Ganzjahresjob. Sie gehört zum Kernteam der Organisation, ist wie ungefähr die Hälfte ihrer Kolleginnen in Teilzeit angestellt. Vor zwei Monaten nahm sich Sophia vor, wöchentlich 30 Kilometer pro Woche zu laufen. Das geht sich nun nicht mehr aus, die Arbeit hat überhandgenommen, aber Überstunden kann sie später wieder abbauen. "So oder so hab ich, seit ich zu laufen begonnen habe, keine Langeweile mehr. Wenn ich jetzt spüre, dass mir langweilig wird, hab ich schon die Laufschuhe an."

Gnadenlose Technik

Für Sophia war es "eine coole Experience", zweimal einzuspringen, als eine Trainerin ausgefallen war. "Es war spannend, einmal das Tempo vorzugeben", und nebenbei war es gar nicht so einfach. "Aber meine Gruppe hat mir sehr geholfen." Und ihre Uhr, auf der sich neben der Uhrzeit unter anderem das Tempo ablesen lässt, half mit. Die Technik kann andererseits auch gnadenlos sein. Eine App zeigt Sophia an, wann sie wie viel gelaufen ist. "Da sehe ich leider, wie der Graph runtergegangen ist." Dass sie selbst am Frauenlauf teilnimmt, kann sich nie und nimmer ausgehen. Ihre Hoffnung? "Dass ich nach dem Frauenlauf selbst wieder mehr zum Laufen komme."

Frauenlauf letztes Training Simone Rebecca
Simone (links), die Juristin ist, und Rebecca, die Wirtschaftsrecht studiert, finden beim Laufen immer ein Gesprächsthema. "Nur in den schnellen Intervallen ist es eher ruhig."
HELENA LEA MANHARTSBERGER

Rebecca (23) und Simone (27) haben sich vor drei Wochen im Frauenlauftraining kennengelernt, vorher trainierten sie in unterschiedlichen Gruppen, jetzt sind sie Teil einer ziemlich flotten Einheit. Am Sonntag wollen beide binnen 25 Minuten im Ziel sein. Simone ist Juristin und arbeitet für die Stadt Wien, Rebecca ist Juristin in spe, sie studiert Wirtschaftsrecht an der WU. Von dort ist es ein Katzensprung zur Hauptallee. "Das trifft sich natürlich gut."

Die beiden Freundinnen unterhalten sich oft auch während des Trainings, beim Aufwärmen und beim Auslaufen sowieso. "Nur in den schnellen Intervallen ist es eher ruhig", sagt Simone. Ein Gesprächsthema findet sich immer. Und allein schon das Laufen gibt diesbezüglich immer etwas her. Nicht nur bis Sonntag oder am Sonntag. Nach dem Frauenlauf ist schließlich immer vor dem Frauenlauf. (Fritz Neumann, 25.5.2024)