Soldaten befestigen eine Außenlast an einem Hubschrauber des Typs Bell 212
In einem Hubschrauber des Typs Bell 212 soll der iranische Präsident Raini verunglückt sein. Auch Österreich verfügt noch über Agusta-Bell-212-Maschinen. Im Bundesheer sorgten höchste Standards beiErsatzteilen, Wartung, Nachrüstung ("Midlife-Update") und Pilotenausbildung sowie ein Flugsicherheitsmeldesystem für größtmögliche Sicherheit, sagt Brigadier Luttenberger.
© Bundesheer

Irans Präsident Ebrahim Raisi ist am Sonntag nahe der Grenze zwischen seinem Staat und Aserbaidschan tödlich verunglückt. Offenbar krachte sein Hubschrauber, eine alte Bell 212 aus der Schah-Ära, gegen ein Bergmassiv. Vor etwas mehr als vier Jahren kam der US-Basketballer Kobe Bryant auch in einem Helikopter um – das Luftfahrzeug zerschellte in der Nähe von Los Angeles an einem Hügel. Auch die Milliardäre Vichai Srivaddhanaprabha aus Thailand und Petr Kellner aus Tschechien ließen in Hubschraubern ihr Leben. Sind die Drehflügler also unsichere Verkehrsmittel?

"Nein, Hubschrauber sind in technischer Hinsicht sicher", sagt dazu Wolfgang Luttenberger, Kommandant der Luftunterstützung des Bundesheers und Herr über Österreichs Militärhubschrauber. "Zum Teil sind sogar Triebwerke von Propellerflugzeugen und Hubschraubern ident." Brigadier Luttenberger sieht bei der technischen Sicherheit allerdings eine Einschränkung: "Es kommt natürlich ein bisschen auf die Bauart und die Generation an."

Missionen in riskanten Zonen

Auch die Statistiken bescheinigen Hubschraubern eine hohe Verlässlichkeit. Im Jahr 2022 habe es in den EU-Staaten sowie der Schweiz, Norwegen und Island 47 Helikopterunfälle, davon zehn mit tödlicher Folge, gegeben, berichtet die Europäische Agentur für Flugsicherheit (EASA). Auf Kilometer gerechnet sind Helikopter dennoch weniger sicher als Flugzeuge mit ihren starren Auftriebsflächen.

"Natürlich ist jeder Unfall einer zu viel", aber man müsse berücksichtigen, dass Hubschrauber zum Schutz und zur Versorgung von Menschen in Situationen unterwegs seien, "die im Vergleich mit anderen Transportmitteln viel riskanter sind", sagte EASA-Funktionär John Franklin vor vier Jahren. Das sieht auch Luttenberger so: "Wenn man es militärisch ausdrücken möchte, ist das Umfeld eines Hubschraubers feindlicher als jenes eines Flugzeugs." So fliegen Helikopter etwa Missionen in der Bergrettung oder Löscheinsätze bei Waldbränden.

Ein Christophorus-Rettungshubschrauber aus dem Hause Airbus in Kärnten
Die Christophorus-Rettungshubschrauber vom europäischen Hersteller Airbus fallen durch ihre gekapselten Heckrotoren auf. Ein ummantelter Heckrotor heißt Fenestron und erhöht die Sicherheit für Personen auf dem Boden. Er ist auch leiser.
© ÖAMTC/Schornsteiner

Faktor Mensch

Im Militär, etwa beim Leonardo AW-169 des Heers, können Piloten schon auf Hightech-Navigationshilfen, ähnlich jenen von Linienflugzeugen, zurückgreifen. In der privaten Fliegerei freilich nicht. "Faktoren für Unfälle sind mangelhaftes Gerät oder mangelhafte Erfahrung der Piloten oder bestimmte Wetterbedingungen – manchmal auch alles zusammen", erzählt Georg Mader, Experte für Militärluftfahrt. Nebel dürfte auch zumindest einer der Gründe für Raisis Absturz gewesen sein, ein Vertreter des Roten Halbmonds sprach bei der Suche von "widrigen Wetterbedingungen".

Selbst in der professionellen Hubschrauberfliegerei lägen "90 Prozent der Abstürze an menschlichem Versagen, auch wenn ich den Begriff ungern verwende", sagt Brigadier Luttenberger. Der Auslöser sei zunächst oft ein lösbares technisches Problem, "und mit der Stresssituation und den vielen technischen ­Informationen kommt dann der menschliche Faktor dazu".

Die V-22 Osprey, ein Kipprotor-Wandelflugzeug, bei einer Übung in Japan
Die V-22 Osprey ist ein Kipprotor-Wandelflugzeug. Sie vereint die Fähigkeiten eines Hubschraubers und eines Starrflügelflugzeugs – somit kann sie senkrecht starten und landen und trotzdem mehr als 500 Stundenkilometer Spitzengeschwindigkeit erreichen.
AFP/CHARLY TRIBALLEAU

Ein Helikopter fliegt, indem die Kraft seines Triebwerks auf einen waagrechten Rotor übertragen wird. Zur Ehrenrettung des Hubschraubers seien kurz seine Vorteile aufgezählt.

Vorteile von Hubschraubern

Nachteile von Hubschraubern

Um das Geschwindigkeitsmanko zu beheben, haben Rüstungskonzerne sogenannte Wandelflugzeuge mit Kipprotor entwickelt – eine Kombination aus Helikopter und Flugzeug. So kann senkrecht gestartet und schneller geflogen werden. Klassische Hubschrauber werde es trotzdem noch lange geben, sagt Luttenberger.

Der Volocopter, hier vor der Küste New Yorks, soll die urbane Luftfahrt revolutionieren.
Im vergangenen November absolvierte der bemannte Volocopter 2X einen Testflug über New York.
© Volocopter

Traum vom Flugauto

Start-ups tüfteln auch an VTOL-Lösungen ("vertical take-off and landing"), also an Flugzeugen und Drohnen, die vertikal abheben. In Deutschland arbeitet die Volocopter GmbH an einem elektrischen VTOL-Flugtaxi. Neu sei das Prinzip nicht, sagt Luttenberger und verweist auf die senkrecht startende Harrier des britischen Militärs: "Im militärischen Bereich wird das ein Nischenprodukt bleiben, weil es unglaublich komplex und teuer ist." Und ein ­E-Helikopter? "Da muss sich noch viel entwickeln in der Akkutechnologie", sagt Luttenberger.

Was es bereits gibt, sind ge­kapselte Heckrotoren, etwa beim Airbus-H135. Für Personen auf dem Boden sind diese sicherer. "Vielleicht", sagt Militärexperte Mader, "schafft man es eines Tages, alle Rotoren zu ummanteln – so wie im Film ­Avatar." (Lukas Kapeller, 24.5.2024)