Ein Arbeiter an einer Gasverteilerstation in Baumgarten.
Noch kommt russisches Gas im österreichischen Baumgarten an. In nächster Zeit könnte sich das ändern, warnt die OMV.
REUTERS / Lisa Leutner

Die Meldung, die die OMV am Dienstag auf ihrer Website veröffentlichte, war einigermaßen kryptisch: Man sei als führendes Gasunternehmen dazu verpflichtet, mit einer "Urgent Market Message" darüber zu informieren, dass es zu Beeinträchtigungen der Gaslieferungen nach Österreich kommen könnte. Hintergrund sei ein "ausländisches Gerichtsurteil".

Frage: Worum geht's?

Antwort: Europa war lange das wichtigste Ziel russischer Gaslieferungen. Der Ukrainekrieg hat das schlagartig verändert. Lieferungen wurden von Gazprom teilweise gestoppt, Verträge nur unzureichend erfüllt oder kurzfristig beendet. Zwischen geschädigten europäischen Energieunternehmen und dem russischen Gaskonzern Gazprom läuft deshalb eine Reihe an Gerichtsverfahren. Eines dieser Gerichtsverfahren könnte nun Einfluss auf die OMV haben, obwohl sie nicht direkt daran beteiligt ist.

Frage: Warum das?

Antwort: Ein europäisches Energieunternehmen hat offenbar ein Gerichtsverfahren gegen Gazprom gewonnen. Gazprom soll laut dem Urteil Geld an dieses Energieunternehmen zahlen, weigert sich aber, die Entscheidung zu akzeptieren. Das Energieunternehmen will das Geld nun auf einem anderen Weg eintreiben. Hier kommt die OMV ins Spiel: Die OMV schuldet der Gazprom Geld für Gaslieferungen. Ein Gericht könnte die OMV nun anweisen, dieses Geld nicht an Gazprom zu zahlen, sondern an das europäische Energieunternehmen.

Frage: Warum könnte das Einfluss auf die Gaslieferungen haben?

Antwort: Bezahlt die OMV nicht an Gazprom, sondern an das europäische Energieunternehmen, könnte Russland die Lieferungen aussetzen, warnt die OMV. Der österreichische Energiekonzern hält es aufgrund von Erfahrungen aus der Vergangenheit für "wahrscheinlich", dass Gazprom in so einem Szenario die Lieferungen einstellen "und damit den österreichischen Gasmarkt beeinträchtigen wird".

Frage: Was würde das für den Dauervertrag zwischen der OMV und Gazprom bedeuten?

Antwort: Die beiden Unternehmen haben bekanntermaßen einen Liefervertrag bis ins Jahr 2040 abgeschlossen. Dass er tatsächlich so lange läuft, ist aus zwei Gründen unsicher. Der erste Grund ist rechtlicher Natur: Würde Gazprom die Lieferungen aufgrund der aktuellen Geschehnisse tatsächlich einstellen – wenn auch nur für ein paar Monate –, hätte die OMV möglicherweise einen guten Grund, den Dauervertrag zu kündigen. Ob es tatsächlich dazu kommt, ist derzeit völlig unklar. Der zweite Grund, warum die Lieferungen vor 2040 enden könnten, ist praktischer Natur: Das russische Gas fließt über die Ukraine nach Österreich. Die Ukraine hat allerdings angekündigt, diesen Transit ab 2025 voraussichtlich nicht mehr zuzulassen.

Frage: Ein Stopp russischer Gaslieferungen galt lange als Schreckensszenario. Was wäre die Folge?

Antwort: Österreich bezieht sein Gas nach wie vor fast ausschließlich aus Russland. Im März lag der Anteil bei 93 Prozent, im Februar bei 87 Prozent und im Jänner bei 97 Prozent. Die heimische Versorgung ist aber dennoch gut abgesichert. Einerseits sind die Speicherstände hoch. Am 20. Februar 2024 lag der Speicherstand bei 77,8 TWh. Zum Vergleich: Jährlich verbraucht Österreich rund 95 TWh. Andererseits betont die OMV, dass sie "aufgrund ihrer umfangreichen Diversifizierungsbemühungen der letzten Jahre" jedenfalls in der Lage sei, "ihre Vertragskunden mit Gas aus alternativen, nichtrussischen Quellen zu versorgen". Man beziehe Gas aus eigenen Produktionsanlagen in Norwegen und Österreich sowie von internationalen Erdgasproduzenten. Zudem habe man langfristige Lieferverträge für Flüssiggas (LNG) abgeschlossen. Auch die Energiebehörde E-Control betonte, dass die Versorgung gesichert ist.

Frage: Werden die Preise wieder steigen?

Antwort: Beobachterinnen und Beobachter gehen davon aus, dass die Preise zumindest kurz- bis mittelfristig steigen könnten – schon allein aufgrund der Unsicherheiten und der psychologischen Effekte auf den Markt. Fachleute sprechen von Preissteigerungen in Höhe von zehn Prozent, andere rechnen mit zwanzig Prozent. Eine gewisse Rolle spielt dabei auch die Speicherumlage in Deutschland. Importe, die aus Deutschland nach Österreich fließen, sind aufgrund der Abgabe etwas teurer, je nach Gaspreis um mehrere Prozent. Derzeit befinden sich die internationalen Preise ungefähr auf dem Niveau der Zeit vor dem Angriff Russlands, seit Anfang April sind sie leicht gestiegen. Dass es zu einer Preisexplosion wie im Jahr 2022 kommt, ist jedoch sehr unwahrscheinlich.

Frage: Auch direkt zwischen OMV und Gazprom laufen Gerichtsverfahren. Worum geht es hier?

Antwort: Die OMV klagt Gazprom offenbar vor europäischen Schiedsgerichten. Details sind dazu keine bekannt. Mutmaßlich geht es um eine De-facto-Enteignung der OMV am russischen Gasfeld Juschno-Russkoje. Um dieses Schiedsverfahren zu verhindern, führte die Gazprom am Handelsgericht in Sankt Petersburg ein Verfahren gegen die OMV. Die Russen haben dieses Verfahren gewonnen, die OMV dürfte das Urteil aber nicht anerkennen. Der österreichische Konzern hat seine Investments in Russland mittlerweile abgeschrieben. (Jakob Pflügl, 24.5.2024)