Jung, weiblich, gerne bereit, Geld für Klamotten und Kosmetika online auszugeben, besonders wenn es superbillig ist: Das dürfte die typische Kundin bei chinesischen Online-Plattformen sein. Seit einigen Monaten drängen Temu und Shein auf den europäischen Markt. Mit aggressiver Werbung und einer schier unüberschaubaren Zahl an günstigsten Produkten locken sie Kunden und Kundinnen – mit einigem Erfolg.

Das zeigt eine Befragung des Instituts für Handel, Absatz und Marketing an der Johannes-Kepler-Universität (JKU) Linz im Auftrag der Bundessparte Handel in der WKÖ. Demnach hat in den vergangenen zwölf Monaten fast jede bzw. jeder Zweite unter den österreichischen Online-Shoppern bei einer der chinesischen Online-Plattformen (z. B. Temu, Shein, Ali Express, Wish) eingekauft. Wobei der Online-Riese Temu das Ranking deutlich anführt. Nimmt man den stationären Handel dazu, hat jeder dritte Konsument bei einer dieser China-Plattformen geshoppt.

"Temu ist erst im letzten Jahr in den österreichischen Markt eingestiegen. Innerhalb eines Jahres hat es eine Marktdurchdringung erreicht, die ihresgleichen sucht", sagt Ernst Gittenberger, Handelsexperte der JKU am Donnerstag vor Journalisten. Allein von Temu kommen pro Tag 30.000 Pakete nach Österreich. Was der Experte auch anmerkt: Die Billigprodukte fallen auch angesichts der hohen Inflation auf fruchtbaren Boden. Ultra-Fast-Fashion wie Kleidung, Schuhe oder Accessoires wie Taschen zählen zu den beliebtesten Waren, gefolgt von Schönheits- oder Wellnessprodukten.

Seiten der Shein-Website und der Temu-Website mit jungen Frauen und Waren wie Kleidung und Schmuck, 
Alles so schön billig: Das zieht vor allem junge Menschen an.
AP/Richard Drew

Nimmt Temu Amazon nun Geschäft weg? Zahlen dazu gibt es nicht. Unverändert gehen sechs von zehn in Online-Shops ausgegebenen Euros "ins Ausland". Wie viel davon nach China fließt oder zum US-Riesen Amazon, kann man noch nicht sagen. "Wir sind Amazon-sozialisiert", sagt JKU-Experte Christoph Teller. Ob sich die chinesischen Plattformen in Amazon-Manier vorarbeiten können, sei keineswegs gewiss. Denn Amazon habe gewissermaßen die Logistik perfektioniert. Dazu komme, dass nicht alles Gold sei, was glänze. "Der größte Vorteil, billig, ist gleichzeitig auch der größte Nachteil“, sagt Gittenberger. Das geben auch die befragten Konsumenten zu Protokoll – so wurden die mangelnde Qualität der Ware oder die lange Lieferzeit in der Befragung als größte Probleme beim Kauf bei chinesischen Plattformen gesehen.

All das könnte einer weiteren Verbreitung im Wege stehen, mutmaßen die Forscher. Noch sind die Ausgaben bei chinesischen Online-Shops in Summe ohnehin überschaubar. Geschätzte 600 bis 750 Millionen Euro – sieben bis neun Prozent der gesamten Online-Ausgaben der Österreicher und Österreicherinnen – dürften sie laut Schätzung der JKU zwischen Mai 2023 und April 2024 ausgemacht haben. Tendenz steigend. Für den gesamten Online-Handel gilt das derzeit nicht. Der Corona-Boom ist abgeflaut, die Menschen halten sich bei den Ausgaben grundsätzlich zurück. Der Anteil der Onlineausgaben an den gesamten Einzelhandelsausgaben ist im Vorjahr in 20 von 27 EU-Ländern gesunken, in Österreich auf 9,8 Prozent. 2022 lag der Anteil bei 10,4 Prozent, 2021 bei 11,5 Prozent.

Wachsender Widerstand

Doch die vermeintlich schöne neue Shoppingwelt stößt zunehmend auf Widerstand. Frankreich will mit einer Strafgebühr die Wegwerfmode aus China einbremsen. Die EU-Kommission hat jüngst Shein in die Kategorie der sehr großen Online-Plattformen eingestuft. Damit gelten schärfere Regeln, etwa was Vorkehrungen zum Schutz vor Produktfälschungen und Verletzungen der Rechte zum Schutz geistigen Eigentums betrifft. Temu ist noch nicht an dieser Kandare. Das müsse bald geschehen, fordern heimische Handelsvertreter.

WKÖ-Handelsobmann Rainer Trefelik verweist einmal mehr auf ungleiche Bedingungen. Europas Anbieter zahlten Zoll und hätten sich an Qualitätsstandards, Verpackungs- sowie Datenschutzregeln zu halten. Die Konkurrenz aus China komme billig davon. Die Zollbehörden seien ob des Paketvolumens überfordert. Nur zwei Prozent der Pakete aus China würden beim Zoll kontrolliert, kritisiert Trefelik. Er fordert erneut, das für 2028 geplante Ende der 150-Euro-Zoll-Freigrenze vorzuziehen. (Regina Bruckner, 23.5.2024)