Parkplatz für ein E-Auto
Für Käufer von E-Autos ist die Reichweite ein wichtiges Kriterium. Dementsprechend schwer sind jedoch oft die Akkus.
IMAGO/Michael Gstettenbauer

Elektroautos sollen einen großen Beitrag zum Klimaschutz leisten, Bedenken gibt es jedoch unter anderem immer wieder zum Thema Sicherheit. Und nun dürften Zweifler wieder eine neue Argumentationsgrundlage durch eine Studie im Journal of Epidemiology and Community Health bekommen, über die unter anderem das Nachrichtenmagazin Spiegel berichtet. Denn der britischen Studie zufolge verursachen E-Autos deutlich mehr Unfälle mit Fußgängern als Verbrenner.

Deutlich mehr Unfälle in der Stadt

Demnach verursachten E-Autos und Hybride von 2013 bis 2017 pro 100 Millionen gefahrener Meilen 5,16 Unfälle mit Fußgängern, bei Verbrennern waren es 2,40 Unfälle pro 100 Millionen Meilen. Die Wahrscheinlichkeit einer Kollision zwischen einem Fußgänger und einem E-Auto ist also doppelt so hoch wie mit einem Verbrenner.

Verglichen wurden von den London School of Hygiene & Tropical Medicine auch die Daten für ländliche und städtische Gebiete – mit dem Ergebnis, dass es in ländlichen Gebieten keinen signifikanten Unterschied zwischen Elektrischen und Verbrennern gibt, im innerstädtischen Gebiet ein E-Auto dafür aber dreimal so viele Unfälle mit Fußgängern baut wie ein Verbrenner.

Untersucht wurden Unfälle in Großbritannien von 2013 bis 2017. Dabei wurden rund 96.000 Unfälle erfasst, bei denen Fußgängerinnen und Fußgänger von einem Auto erfasst wurden. Die Zahl der Unfälle wurden in Relation dazu gesetzt, wie viele Meilen mit Autos der jeweiligen Antriebsformen zurückgelegt werden.

Leise ...

Ein Grund für die höhere Unfallwahrscheinlichkeit von E-Autos und Hybriden ist naheliegend: Sie sind vor allem beim Anfahren leiser als Verbrenner und können daher in lauten Ballungsräumen von Fußgängern überhört werden. Zu beachten ist dabei, dass bei E-Autos ab Geschwindigkeiten von 20 bis 30 km/h die Abrollgeräusche die Motoren übertönen, die Elektrischen also ebenfalls besser zu hören sind.

Dementsprechend wurde in der die Verordnung (EU) Nr. 540/2014 über den Geräuschpegel von Kraftfahrzeugen verabschiedet, die vorsieht, dass neue Elektro- und Hybridfahrzeuge mit einem Acoustic Vehicle Alerting System (AVAS) ausgestattet sind. Bei diesem "Fahrzeug-Warngeräusch-Generator" wird künstlich ein Geräusch erzeugt, das dem eines Verbrennungsmotors ähnelt. Das AVAS muss bei Geschwindigkeiten bis 20 km/h eingeschaltet sein, auch wenn das Auto rückwärtsfährt.

Alle neuen Automodelle, die seit dem 1. Juli 2019 die Typzulassung durchlaufen haben, sind mit einem AVAS ausgestattet. Seit 1. Juli 2021 müssen alle neu zugelassenen E-Autos ein solches System aufweisen. Eine Nachrüstpflicht für bereits zugelassene E-Autos besteht aber nicht. Die Forscher relativieren in ihrem Paper selbst, dass ihr Untersuchungszeitraum nur bis zum Jahr 2017 reicht – und die Daten somit wieder überholt sein könnten.

... und schwer

Weiters wird von den Forschenden angeführt, dass E-Autos tendenziell von jüngeren Menschen gefahren werden, welche wiederum aufgrund geringerer Fahrerfahrung eher einen Unfall bauen als erfahrene Autobesitzer. Allerdings könnte es noch einen anderen Grund für die höhere Unfallwahrscheinlichkeit bei E-Autos geben, der selten beachtet wird: den Bremsweg.

So haben E-Autos tendenziell einen längeren Bremsweg als Verbrenner. Das liegt unter anderem, dass sie allein wegen des hohen Gewichts des Akkus deutlich schwerer sind als vergleichbare Verbrenner. So wurde Anfang 2023 bereits vom National Transportation Safety Board in den USA vor den Risiken gewarnt, dass schwere E-Autos mit leichteren Fahrzeugen kollidieren.

Demnach wiegt ein elektrischer GMC Hummer rund 4000 Kilogramm, allein der Akku kommt auf 1300 Kilogramm – in etwa das Gewicht eines Honda Civic. Fords F-150 Lightning, ein elektrischer Pick-up-Truck, wiegt 900 bis 1350 Kilo mehr als die Verbrennerversion. Der elektrische SUV Mustang Mach E und der Volvo XC40 EV wiegen rund 33 Prozent mehr als die vergleichbaren Verbrenner, hieß es zum damaligen Zeitpunkt in einem Beitrag des US-Senders NPR.

Gefordert sind große und schwere Akkus wiederum, weil die Reichweite des E-Autos oft ein entscheidender Faktor bei der Kaufentscheidung ist. Und das, obwohl E-Fahrer laut einer im April 2024 veröffentlichten Studie oft weniger Reichweite brauchen als sie glauben.

Empfehlung

Die Studienautoren betonen, dass die Forschungsergebnisse die Menschen nicht vom Umstieg auf ein Elektroauto oder gar vom Zufußgehen abhalten sollen. Stattdessen sollen die Erkenntnisse dazu dienen, die Risiken im Straßenverkehr besser zu deuten und weitere Technologien zur Erhöhung der Sicherheit zu implementieren. (stm, 25.6.2024)

Update, 26.5.2024: versehentlich waren am Anfang des Artikels zunächst von 100.000 statt 100 Millionen Meilen die Rede. Der Fehler wurde korrigiert.