Manfried Welan hat sich selbst in einer seiner Autobiografien als "ein Diener der Zweiten Republik" tituliert.
Heribert Corn

Wien – Manfried Welan, einst Rektor der Universität für Bodenkultur, Vorsitzender der Universitätenkonferenz, ÖVP-Stadtrat und Dritter Landtagspräsident in Wien, ist tot. Der Verfassungsjurist, der sich in einer seiner Autobiografien selbst als "Diener der Zweiten Republik" tituliert hat, ist, wie dem STANDARD aus dem Familienkreis mitgeteilt wurde, am späten Mittwochabend im Alter von 86 Jahren gestorben.

Breitere Bekanntheit erlangte Welan als Berater des damaligen Bundespräsidenten Thomas Klestil während jener Regierungsbildung, die schließlich Anfang 2000 in die erste schwarz-blaue Koalition mündete. Im Grenzgebiet zwischen Wissenschaft und Politik war er schon viel früher aktiv, etwa als er sich schon Anfang der 1970er-Jahre Gedanken über nötige Demokratiereformen im "Parteienstaat" machte und für ein Mehrheitswahlrecht plädierte.

Vorsitzender der Universitätenkonferenz

Welan wurde am 13. Juni 1937 in Wien geboren und finanzierte sein Studium der Rechts- und Staatswissenschaften unter anderem als Komparse, Hilfsarbeiter und Vorleser. Nach seiner Promotion 1961 arbeitete er zunächst im Verwaltungsdienst der Technischen Universität Wien, als Sekretär und Schriftführer im Verfassungsgerichtshof sowie in der wissenschaftlichen Abteilung der Wirtschaftskammer.

1968 wurde Welan als Professor für Rechtslehre an die Universität für Bodenkultur (Boku) berufen. 1975 avancierte er dort zum Vizerektor (damals Prorektor) und war schließlich drei Amtsperioden lang Rektor (1977–1981 und 1991–1993). 1979 wurde er außerdem für zwei Jahre zum Vorsitzender der Universitätenkonferenz (damals Rektorenkonferenz) gewählt – als erster Rektorenchef, der nicht aus der Uni Wien kam.

Für die Politik entdeckt wurde Welan vom damaligen Wiener ÖVP-Chef Erhard Busek, ab 1983 saß er als einer von dessen "bunten Vögeln" im Gemeinderat bzw. Landtag. 1986 wurde er Stadtrat, von Dezember 1987 bis zu seinem Ausscheiden aus der Politik 1990 war er Dritter Präsident des Wiener Landtags.

"Engagierter Denker und bedeutende Stimme"

Auch im Parlament hat Welan sich bis zuletzt engagiert. Seit Gründung der Margaretha-Lupac-Stiftung für Parlamentarismus und Demokratie 2003 war er Mitglied der Jury, die meiste Zeit als Vorsitzender.

Für Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) hat Welan Generationen inspiriert und geprägt. "Manfried Welan war nicht nur ein angesehener Wissenschafter, sondern vor allem ein engagierter Denker und eine bedeutende Stimme für die politische Bildung", wurde er in einer Aussendung des Parlaments zitiert. Welan habe sich bis zuletzt für eine starke Demokratie eingesetzt. Die Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ) würdigte ihn als einen "Geistesmenschen" und "Homo politicus". "Mit ihm ist ein großer Wiener und Österreicher von uns gegangen", zeigten sich Wiens ÖVP-Chef Karl Mahrer und ÖVP-Klubobmann Markus Wölbitsch betroffen. (APA, 24.5.2023)

Persönliche Ergänzung: Manfried Welan war einer der inspirierendsten Gesprächspartner aus der Politik, denen man als Journalistin begegnen konnte. Ein Sir im Umgang – Sakko und Stecktuch, das Gespräch in einem klassischen Kaffeehaus mit Zeitungen –, ein zugewandter Mensch mit Humor und vor allem einem riesigen Fundus an Wissen, aber auch Anekdoten. Ein "Bildungsbürger" im besten Wortsinn, der fast drei Viertel seiner Lebenszeit ein loyales ÖVP-Mitglied war (2022 schrieb er eine "persönliche Geschichte der ÖVP aus 60 Jahren"), sich aber immer vorbehalten hat, das zu vertreten, was er für richtig hielt, auch wenn es nicht der Parteilinie entsprach.

In einem STANDARD-Interview aus dem Sommer 2022 meinte er auf die Frage, wie oft er an dem Punkt war, an dem er gedacht habe: "Es reicht! Ich geh!": "Nie. Anhänglichkeit oder auch eine gewisse Schwerfälligkeit, um nicht zu sagen Treue ist eine Eigenschaft von mir. Ich bin nirgends ausgetreten, auch nicht aus der katholischen Kirche. Ich ertrage sie auch mit ihren Schwächen. In der ÖVP kommt ja immer was Neues nach, und ich kenne immer auch die positiven Seiten. Für mich gehören dazu eine Form von Konservativismus, eine gewisse Tradition und Bodenständigkeit, auch eine gewisse Verbundenheit mit der Geschichte." Der Kern der ÖVP, das wofür sie stehe, war aus Welans Sicht "die ökosoziale Marktwirtschaft. Ein Weltprogramm. Warum die ÖVP das nicht ständig vor sich herträgt, ist mir ein Rätsel."

Welan war ein souveräner, unabhängiger Geist, der Liberalität vertrat und lebte. So zum Beispiel trat er offen für die gemeinsame Schule ein, forderte in einem STANDARD-Interview von 2012 die SPÖ und ÖVP ("Ich bin kein großer Gegner der Koalitionsregierung.") auf, dass beide "ihre ideologischen Vorurteile etwas zurückstellen und zu einem Kompromiss kommen" – und Studiengebühren sowie die gemeinsame Schule einführen. Das sei "der internationale Weg. Man soll sich diesen Entwicklungen nicht verschließen."

Welan, legendär als Rektor der Universität für Bodenkultur, liebte die Universität als Ort der lebendigen intellektuellen Auseinandersetzung, den Umgang mit jungen Menschen, mit kritischen Geistern. In einem seiner unzähligen Bücher beklagte er an gleich mehreren Stellen: "Die Tradition der Vernachlässigung prägte unsere Universitäten jahrzehntelang." Und er schrieb aus tiefster Überzeugung den schönen Satz: "Das Universitätsstudium soll die goldene Zwischenzeit sein, die ein wenig an das goldene Zeitalter erinnert. Durch die Distanz zum praktischen Leben entsteht Universitätskultur, das heißt aber auch: Zeit haben und sich Zeit lassen." Im STANDARD-Interview von 2012 meinte er auf die Frage, ob das in Zeiten des beschleunigten Bachelor-Master-Systems eine unwiederbringlich verlorene Idylle ist: "Ich bin noch immer ein Vertreter davon, dass man den Universitäten und Studenten ihre Zeit lassen soll. Der Zeit ihre Studenten, den Studenten ihre Zeit, könnte man das Motto der Secession variieren. Ich bin für Entschleunigung."

Es war nicht nur die Gelassenheit des Alters, sondern entsprach seiner Persönlichkeit, wenn seine Gegenwartsdiagnose, gefragt, ob er denn die Demokratie in Gefahr sehe, lautete: "Nein, überhaupt nicht. Die Institutionenstabilität ist groß. Ich bin da eher gelassen. Es ist halt alles ein bissl kindischer geworden, ordinärer, vulgärer, banaler – Grobianismus habe ich früher gesagt."

Er selbst war ein Mensch der feinen Manieren, des höflichen Umgangs. Seine Mails getragen von Interesse am Gegenüber und Abbilder einer hellwachen Zeitgenossenschaft im besten Sinne. So schrieb Manfried Welan im August 2022 an die Autorin dieser Erinnerungen, in der für ihn typischen Kleinschreibung: "ich bin neugierig wie nie zuvor. 1945 u 2021/22 sind die merk-würdigen (Anm. bewusster Bindestrich) jahre meines lebens: krieg damals, aber zu ende gehend, krieg heute, gerade nicht zu ende gehend." Und im Oktober desselben Jahres stand da im Zusammenhang mit Demokratie und Öffentlichkeit: "jetzt wird alles öffentlich. die neue öffentlichkeit ist die neue demokratie, und das ist gut so."

Rund um einen Jahreswechsel wünschte Manfried Welan "besinnliche tage und schöne übergänge". Jetzt hat er, dieser freundliche, dieser so grundsätzlich menschenfreundliche und herzliche Mensch den letzten Übergang genommen. Ich werde seine Nachrichten, die so oft mit "herzl ihr welan" geschlossen wurden, in respektvoller und dankbarer Erinnerung bewahren und vermissen. RIP, Herr Professor Welan. (Lisa Nimmervoll, 24.5.2024)