Sexshop, Vienna, Vibrator
Erotik-Auskennerin Ingrid Mack in ihrem 320 Quadratmeter großen Reich im sechsten Bezirk.
privat

"Die Wurzeln des Geschäftes reichen 30 Jahre zurück. Damals eröffnete ich das Condomi in der Otto-Bauer-Gasse, also eine Straße weiter. Der Grund, warum ich mich für den Handel mit Kondomen entschlossen habe, lag darin, dass eine sehr gute Freundin von mir einer der ersten HIV-Fälle in Österreich war. Das kann man durchaus als Initialzündung bezeichnen. Mir wurde klar, dass es Sex nur mehr mit Kondom gibt. Ich war zu der Zeit als Hotelfachfrau in der Schweiz beschäftigt. In Zürich bin ich auf das Geschäft Condomeria gestoßen, und nach dem dritten Besuch dort sagte ich mir: 'Das ist meins, so etwas möchte ich in Wien aufziehen.'

Das gestaltete sich aber alles andere als einfach, denn damals gab es wie in anderen europäischen Ländern eine eigene Kondomprüfungsverordnung, was meine Idee erst einmal zerschlagen hat. Ich hätte nur in Österreich geprüfte Kondome verkaufen dürfen. Das war so um 1990. Ich bin aber ein Sturkopf und wollte nicht lockerlassen. Jedenfalls kam dann endlich eine europäische Prüfungsnorm. Um es kurz zu machen: Am 27. Jänner 1994 wurde das Geschäft eröffnet. Erst gab es nur Kondome, ab 2000 habe ich mich dann auch auf Vibratoren konzentriert. Auch die gehörten meiner Meinung nach enttabuisiert. Also kam im Geschäft ein Bereich namens Vibratissimo hinzu. Dienstag und Donnerstag war dort Damentag. Schließlich gesellte sich noch ein Geschäft hinzu, das Séparée. Irgendwann wurde allerdings alles zu eng, und so landeten wir 2014 hier in der Esterhazygasse. Das Condomi gab es dann noch eine Weile.

Berührungsängste

Das Geschäft misst 320 Quadratmeter, dazu zählt auch das Condomi-Museum im unteren Bereich, wo wir allerlei zum Thema Kondome präsentieren. Auch Kurioses. Das reicht bis zu den frühen Anfängen, in denen noch Schafsdärme als Verhütungsmittel zum Einsatz kamen. Ich veranstalte dort sogar Führungen, zum Beispiel für Schulklassen.

Wir arbeiten hier zu viert und bieten eine ganze Menge an, Wäsche, Sextoys aller Art, Literatur, Körperhygieneartikel. Auch die LGBT-Community gehört zu unserer Klientel. Ich würde generell sagen, der Anteil der Kundschaft besteht aus 70 Prozent Frauen und 30 Prozent Männern. Es kommen auch viele Pärchen. Wie viele Artikel wir anbieten? Keine Ahnung. So viele, wie ich Haare auf dem Kopf trage.

Klar haben manche Menschen Berührungsängste. Als ich damals zum ersten Mal in die Condomeria in Zürich gegangen bin, ging ich vorher auch dreimal um den Häuserblock. Heute nimmt das Internet vielen Menschen die Berührungsangst. Man kann sich auf unserer Homepage über unser Angebot und unsere Geschichte schlaumachen. Dort erfährt man auch, dass wir diplomierte Sexualpädagoginnen sind. Auch viele Ärzte, von Psychologen bis hin zu Gynäkologinnen, schicken uns Kundschaft. Das Geschäft soll wie ein Wohnzimmer wirken. Viele Kunden und Kundinnen sind durchaus offen, und wir bekommen auch so manche Lebensgeschichte zu hören. Unser Job hat durchaus einen hohen psychologischen Stellenwert.

Die Anfeindungen hielten sich eigentlich immer in Grenzen. Irgendjemand hat 'Wäh' auf die Fenster geschrieben, ein anderer bespuckte unsere Auslagen und verklebte unsere Schlösser mit Superkleber. Der wurde geschnappt. Der berüchtigte Pornojäger Humer hatte uns früher natürlich auch im Visier. Aber das war alles auszuhalten. Ich hielt die Idee für das Geschäft einfach für glorreich, und so wurde sie auch aufgenommen. Bis heute.

Sexshop, Kondome, Vienna
Von Literatur über Wäsche bis hin zu Sextoys und Körperhygieneartikeln, das Liebenswert hat ein großes Angebot. Ein Museum zum Thema Kondome gibt es auch.
privat

Was sich verändert hat, in den 30 Jahren? Nun, die 90er-Jahre waren eine Zeit des Aufbruchs in sexueller Hinsicht. Man musste seine Sexualität nicht mehr so verheimlichen. 1993 kam der erste Lifeball. Alles wurde offener, die ersten Aids-Hilfen kamen. Für mich was das schon ein sehr gutes Zeitalter. Wir haben Kondome auch selber produziert.

Was mich heute generell sehr traurig stimmt, ist die Tatsache, dass die Kommunikation nicht mehr zwischen Herz und Herz oder Bauch und Bauch stattfindet, sondern alles über die Vernunft läuft. Jeder denkt nur mehr an sich, die Leute schotten sich mit ihren Smartphones ab, und die Ellenbogen kommen mehr und mehr zum Einsatz. Wenn man jemandem auf der Straße zum Beispiel ein Kompliment für dessen Hund macht, kann es sein, dass man angeschnauzt wird. Dabei rede ich Menschen gerne an. Die Menschheit ist heute sehr introvertiert.

Neue Prüderie

Die Jungen? Viele junge Leute sind sehr prüde. Man kann durchaus von einer neuen Prüderie sprechen. Früher ist man halt einfach mit jemandem ins Bett gegangen. Heute überlegt man, ob man schön ist und gut ist, ob man gut riecht oder sich rasieren soll. Es dreht sich zu viel ums Erscheinungsbild.

Und noch etwas: Manche der Jüngeren, die zu uns kommen, vergleichen unser Sortiment gern mit jenem von Amazon oder anderen Online-Plattformen. Es gibt Leute, die reklamieren forsch in unserem Geschäft einen Vibrator, den sie im Internet gekauft haben. Dabei haben wir den nicht einmal im Sortiment. Ich halte das für eine Tragödie. Einen Vibrator kauft man nicht im Internet. Den muss man angreifen, spüren und hören." (Michael Hausenblas, 26.5.2024)