FPÖ-Chef Herbert Kickl und AfD-Vorsitzende Alice Weidel
FPÖ-Chef Herbert Kickl und AfD-Vorsitzende Alice Weidel teilen viele extreme Ansichten, etwa in der Migrationspolitik. Ein mögliches Parteiverbotsverfahren wird aber nur in Deutschland diskutiert.
APA/EVA MANHART

Es geht um den Schutz unserer Demokratie, unserer Freiheit und Vielfalt. Lasst uns gemeinsam für ein solidarisches Deutschland und eine selbstbewusste Demokratie einstehen." Diesen Appell haben in Deutschland 25 sozialdemokratische Bundestagsabgeordnete mit Migrationshintergrund verfasst. Sie fordern, ein Verbotsverfahren gegen die AfD zumindest zu prüfen.

Forderung nach Verbot

Die gleiche Forderung richten rund 812.000 Unterzeichnerinnen und Unterzeichner einer Petition an die Politik. "Wenn eine Partei bestrebt ist, die Demokratie abzuschaffen, ist es demokratisch, diese Partei zu verbieten, so wie das in der Vergangenheit mit einer Nachfolgeorganisation der NSDAP oder der kommunistischen KPD geschehen ist", sagen sie.

Auch in Österreich würden manche ein solches Verfahren gegen die FPÖ gutheißen. Denn die Blauen fallen wie AfD-Politiker immer wieder mit menschenverachtenden Äußerungen auf. AfD und FPÖ verbindet vieles, sie sind Schwesterparteien, teilen in maßgeblichen ideologischen Fragen eine Meinung. Daraus wird kein Hehl gemacht – ganz im Gegenteil. Die Parteichefs Herbert Kickl (FPÖ) und Alice Weidel (AfD) streuen einander Rosen.

Andere Rechtslage

Sie wünsche Österreich, dass Kickl bald Kanzler werde, erklärte die AfD-Vorsitzende bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem FPÖ-Chef im vergangenen Herbst. Kickl formulierte es im Rahmen seiner Aschermittwochsrede im Februar so: Deutschland brauche "eine sehr, sehr starke Alice".

Doch trotz ähnlicher Argumentation der beiden, etwa in der Asyl- und Migrationspolitik, gibt es in Österreich keine Diskussion über ein Parteienverbot. Warum werden die beiden Parteien vonseiten des Staats unterschiedlich bewertet? Und wie kann sich der Staat sonst gegen extrem rechts wehren?

Grundsätzlich gilt: Die Rechtslage ist in Deutschland eine andere. Anders als in Österreich können Parteien dort durch das Bundesverfassungsgericht verboten werden.

Blick ins Grundgesetz

Voraussetzung ist gemäß Artikel 21 des Grundgesetzes, dass die Partei "nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgeht, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden".

In Österreich existiert ein Parteienverbot in dieser Form nicht. Eine Einschränkung ist lediglich durch das Verbotsgesetz gegeben, in dem geregelt wird, dass nationalsozialistische Wiederbetätigung und eine Reihe von Umfelddelikten strafrechtlich verfolgt werden.

Der Verfassungsrechtsexperte Peter Bußjäger erklärte dazu kürzlich im STANDARD: "Die Frage ist, ob das Verbotsgesetz als Handhabe ausreicht. Ein Parteienverbot durch den Verfassungsgerichtshof sollte auch bei uns angedacht werden." Die heimische Bundesverfassung stamme aus der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg und sei, was Parteiaktivitäten angehe, entsprechend liberal. Andere Verfassungsjuristen widersprachen Bußjäger damals in seinem Ansinnen.

"Neofaschistische Partei"

Heinz Mayer, emeritierter Dekan der juridischen Fakultät in Wien, macht nun einen anderen Vorschlag: "Ein Parteienverbot ist umständlich und könnte auch in die Gegenrichtung ausschlagen", sagt er zum STANDARD. "Eine Einschränkung oder gar eine Versagung der Parteienförderung wäre hingegen ein Mittel, mit dem sich der Staat gegen die FPÖ zur Wehr setzen könnte – und sollte."

Für Mayer ist klar: "Die FPÖ befindet sich nicht im demokratischen Bogen." Als Beleg dafür sieht er etwa, dass die Freiheitlichen der Politik von Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán nacheifern. Ungarn wird als illiberale Demokratie bezeichnet. Darüber hinaus stehe die FPÖ für Pläne zur "Remigration", betreibe "Hetze gegen Medien", bediene sich am Vokabular der NS-Zeit. "Wir haben es mit einer neofaschistischen Partei zu tun, die hart an die Grenze der Nationalsozialisten geht", sagt Mayer. "Eine solche Partei muss der Staat nicht auch noch stützen und fördern."

ÖVP für Parteienförderung

In den anderen Parteien fällt die Bewertung der FPÖ zwar annähernd so hart aus, eine Streichung der blauen Parteienförderung befürworten auf Nachfrage aber weder ÖVP, SPÖ, Grüne noch die Neos.

Kickl dränge zwar "immer weiter an den rechtsextremen Rand", heißt es seitens der ÖVP, doch wer bei demokratischen Wahlen antrete, solle auch Parteienförderung erhalten. Tatsächlich kokettierte Kickl sogar selbst mit dem Begriff "Rechtsextremismus". Wenn er von den "Woken" und "Sozialisten" als rechtsextrem beschimpft werde, trage er "diese Beschimpfung wie einen Orden", erklärte er bei einer Rede im Jänner. Die als rechtsextrem eingestuften Identitären bezeichnet der FPÖ-Chef als "NGO von rechts".

Gegen Hass und Hetze

Die Grünen sprechen von blauem "Hass und Hetze", verweisen aber auf das Verbotsgesetz als Rahmen: "Diese Schwelle ist bei der FPÖ wohl nicht erreicht. Auch der weniger strenge Maßstab in Deutschland dürfte nicht erfüllt sein." Auch in der SPÖ und bei den Neos sieht man rechtlich oder gesetzlich derzeit keinen Änderungsbedarf.

In Deutschland läuft diese Debatte. Vor allem in den Ampelparteien (SPD, Grüne und FDP) wurde die Überlegung laut, der AfD die Staatsgelder zu streichen. Allerdings wäre auch das nicht einfach, es bräuchte ein – vermutlich langwieriges – Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht.

Aber vielleicht kommt es in Deutschland noch zu einem Verbotsverfahren gegen die AfD. Das Bundesamt für Verfassungsschutz arbeitet seit Jahren an einer Dokumentation über die rechtsextremen Umtriebe in der Partei. Die Entscheidung über ein Verbotsverfahren müsste die Bundesregierung, der Bundestag oder der Bundesrat treffen. In Österreich steht die FPÖ nicht im Visier des Verfassungsschutzes – hierzulande sind die Hürden für eine entsprechende Beobachtung aber auch höher. (Birgit Baumann aus Berlin, Katharina Mittelstaedt, 25.5.2024)