Donald Trump hatte wohl mit einer Art Heimspiel gerechnet, als er am Samstag eigens von New York nach Washington flog, um als Gastredner beim Parteitag der kleinen Libertären Partei der USA aufzutreten, der unter dem anarchistisch anmutenden Motto "Werdet unregierbar" stand. "Wir werden eine Menge Spaß haben", leitete der republikanische Präsidentschaftskandidat jovial seine Rede ein und setzte dann hinzu: "Im vergangenen Jahr bin ich von der Regierung in 94 Punkten angeklagt worden. Wenn ich vorher kein Libertärer war, bin ich sicher jetzt einer."

Mancher Besucher im Saal äußerte seine Meinung zu Trump lieber nonverbal.
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Bei seiner üblichen Zuhörerschaft hätte dieser vermeintlich lockere, selbstmitleidige Schlenker dem 77-Jährigen langen Jubel und "Trump"-Sprechchöre garantiert. Doch die Libertären, eine anarchische Kleinpartei von radikalen Staatsskeptikern, Bürgerrechtlern und Laissez-faire-Kapitalisten, wollten sich erkennbar nicht vereinnahmen lassen. Die ersten lauten Buhrufe schallten durch den Ballsaal des Hilton-Hotels.

Video: Trump bei Wahlkampfveranstaltung ausgebuht.
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"Heuchler!"

Es wurde nicht besser. "Hypocrite" (Heuchler), riefen Zuhörer öfter dazwischen. Hinten im Saal hielt jemand ein Transparent mit der Aufschrift "No Wannabe Dictator" (Kein Möchtegerndiktator) hoch. Trump bekam zwar Beifall für seine Ablehnung kriegerischer Interventionen, für das Bekenntnis zu einem liberalen Waffenrecht und vor allem für das Versprechen, den wegen Internetdrogenhandels zu lebenslanger Haft verurteilten Silk-Road-Gründer Ross Ulbricht zu begnadigen. Aber für viele andere Lobgesänge auf eigene Leistungen wurde er ausgebuht.

Irgendwann schien Trump der Kragen zu platzen. Gerade hatten die Zuhörer seine Aufforderung, ihn als ihren Kandidaten fürs Weiße Haus zu nominieren, mit lautem Missfallen quittiert. "Nun gut", sagte Trump pampig, "wenn ihr verlieren wollt, dann bekommt halt weiter eure drei Prozent!" Ein ziemlich ungalanter Hinweis auf das gewöhnlich schwache Abschneiden der Partei mit rund 800.000 registrierten Wählern und Wählerinnen bei Präsidentschaftswahlen.

Publikumsbeschimpfung

Die Publikumsbeschimpfung trug nicht zur Verbesserung der Stimmung im Saal bei, die ohnehin angespannt war. Während die mehr als 1000 Delegierten der Libertären nämlich ein Stockwerk tiefer noch über Parteitagsanträge berieten, hatten rund 300 Trump-Fans (viele mit roten Kappen) schon die ersten Reihen in dem öffentlich zugänglichen Vortragssaal besetzt. Libertären-Chefin Angela McArdle eilte ans Mikrofon und forderte die Trump-Anhänger auf, die für die Delegierten reservierten Plätze zu räumen, was nur extrem widerwillig und schleppend – sogar unter der Androhung, den Sicherheitsdienst zu rufen – geschah. "Diese Arschloch-Republikaner haben uns unsere Sitze weggenommen", schimpfte eine Delegierte in der vierten Reihe.

Bei den Libertären fand Donald Trump nicht viele Freunde.
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So stand Trumps Versuch, die Libertären zu umgarnen und gegen den "Tyrannen" Joe Biden in Stellung zu bringen, von Anfang an unter keinem guten Stern. Dabei könnten deren Stimmen für ihn angesichts knapper Umfragen durchaus wichtig sein. Doch ein Auftritt des unabhängigen Präsidentschaftskandidaten Robert F. Kennedy Jr. am Vortag hatte schon klargemacht, wem die Sympathien der Polit-Anarchos gelten: Kennedy erhielt tosenden Applaus für seine Fundamentalkritik an der staatlichen Corona-Politik. Trump wurde auch deswegen ausgebuht.

An keiner Stelle gelang es Trump, einen emotionalen Kontakt mit dem Publikum herzustellen. Uninspiriert und offenbar genervt rasselte er seine Stichworte herunter. Eigentlich waren für den Auftritt im Programm zwei Stunden vorgesehen gewesen. Nach nur 34 Minuten – für den Ex-Präsidenten eine völlig ungewöhnlich kurze Zeitspanne – beendete er seinen Vortrag und verließ entnervt die Bühne. (Karl Doemens aus Washington, 26.5.2024)