Pläne

Zumindest in ihrer Release-Politik gehen die zwei großen Unix/Linux-Desktops grundlegend verschiedene Wege: Während man bei KDE nun schon länger an einer neuen Major Release arbeitet, versucht es der GNOME mit steter Weiterentwicklung des bestehenden und fixen Zeitplänen.

GNOME 2.20

Aus dieser Herangehensweise entsteht exakt alle sechs Monate ein neues Update, dass die in der Zwischenzeit hinzugekommenen Neuerungen versammelt. Nun ist es wieder einmal soweit: Mit GNOME 2.20 hat das Open Source-Projekt eine neue Release des Softwarepakets zum Download freigegeben. Einen Überblick über die wichtigsten Neuerungen und Verbesserungen sollen die folgenden Seiten geben.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Look

Beginnen wir mit dem Oberflächlichen, immerhin ist es das, was als erstes ins Auge sticht. So hat man ein neues Default-Wallpaper eingerichtet, dass den bisher recht unspannenden einfärbigen Hintergrund ersetzt. Mit der neuen Release hat man aber auch darüber hinausgehend den Default-Look geändert.

Themes

Dazu wurde das noch in GNOME 2.18 als "Gummy" firmierende Theme deutlich aufpoliert und in "Clearlooks" umbenannt und so als Standardeinstellung etabliert. Das alte Clearlooks-Theme gibt es weiterhin unter dem Namen "Clearlooks Classic", für alle die darauf nicht verzichten wollen.

Icons

Auch die Erweiterung des GNOME Icon Theme mit Piktogrammen im Tango-Look ist weiter voran geschritten, so dass sich im Paket und den Anwendungen nur mehr wenige Stellen finden, an denen alte Icons den ansonsten mittlerweile ziemlich konsistenten Look durchbrechen.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Icons

Dass dem so ist, dafür sorgt vor allem eine Verbesserung an anderer Stelle: In einem eintägigen Kraftakt haben die Tango-Icon-ZeichnerInnen das gesamte Stock-Icon-Theme der Widget-Library GTK+ - einige hundert Icons - neu gestaltet. Dies ist vor allem bei den Auswahldialogen zu bemerken, die sich nun besser in die Umgebung integrieren.

Kontrolle

Die Einstellungen für alle aussehensbezogenen Dinge des Desktop-Lebens erfolgen übrigens nun in einem neuen Dialog: Die Appearance-Settings fassen die bisherigen Tools für Theme, Hintergrund, Fonts und Interface zusammen. Dies ist ein erster Schritt auf dem Weg zur Reduzierung der hohen Zahl an Einstellungsprogrammen unter GNOME. Mit der nächsten Release will man hier weitere Tools zusammenfassen, die für die Tastatureinstellungen würden sich da ja geradezu aufdrängen.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Toolkit

Doch kommen wir zurück zu GTK+, immerhin bildet das Toolkit die Basis von GNOME. Mit der neuen Version des Desktops hält auch wieder eine frische GTK+-Version Einzug, diese bringt einige Neuerungen, die vor allem für EntwicklerInnen deutliche Vorteile bringen sollten.

Widgets

So sind etwa neue Widgets zur Lautstärkenregelung oder auch für "Aktuelle Dateien" hinzugekommen, auch die Tooltips hat man erheblich verbessert. Für die Zukunft wohl die wichtigste Verbesserung ist die Aufnahme des frischen GTKBuilder-APIs, das künftig für die Interface-Entwicklung eingesetzt werden und die bisherige externe libglade obsolet machen soll.

Suche

Doch auch für BenutzerInnen sichtbare Änderungen gibt es in GTK+ 2.12: So hat man dem Dateiauswahldialog eine Anbindung an die Desktopsuchen von Beagle und Tracker spendiert, wodurch direkt im selben Fenster nach Files mit entsprechenden Inhalten gesucht werden kann. Auch ein "Recently Used"-Knopf ist im Sidebar hinzugekommen.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Schriften

Wenn wir schon bei den Basistechnologien sind: Die 2D-Grafikbibliothek Cairo - auf die neben GNOME auch künftige Firefox-Versionen setzen werden - hat zwischenzeitlich eine Vielzahl von Optimierungen erfahren, wovon die Performance des Desktops als Ganzes profitiert.

Fonts

Ein weiteres zentrales Element von GNOME ist Pango, die Komponente, die sich um das Font Rendering kümmert. Diese hat eine ganze Reihe von Verbesserungen erfahren, aus denen allgemein ein besseres Schriftbild resultiert.

International

Die Internationalisierung der Software wurde auch auf anderer Ebene vorangetrieben: Die GUI-Elemente orientieren sich nun daran, in welche Richtung die Schrift geht. Dadurch werden etwa bei arabischen Spracheinstellungen die Knöpfe an den Fensterrahmen, die Menüpunkte oder die Einträge im Alt-Tab-Switcher von rechts nach links dargestellt.

Grafik: GNOME

Online

Ein kleiner Exkurs: Im Rahmen der letzten GNOME-EntwicklerInnenkonferenz wurde ausführlich über die Idee eines Online-Desktops diskutiert. Dieser würde sich dann - auf expliziten Wunsch - automatisch mit diversen Online-Services abgleichen.

Tomboy

So weit ist man derzeit zwar noch lange nicht, doch dass Synchronisation ein immer wichtigeres Thema am Desktop wird, ist auch jetzt schon unübersehbar. So kann sich das Desktop-Wiki Tomboy nun automatisch (per WebDav oder SSH) mit anderen Rechnern abgleichen, äußerst nützlich, wenn man seine Notizen auf unterschiedlichen Rechnern einsetzt.

Synchron

Bei diesem Thema sei noch ein kurzes Abschweifen erlaubt, um zwei in diesem Zusammenhang interessante Tools zu erwähnen, die allerdings - noch - nicht Teil des GNOME-Pakets sind. Mit Giver, einem Projekt der openSUSE Hack-Week lassen sich nämlich im Zusammenspiel mit der neuen Tomboy-Version auch gezielt einzelne Notizen an andere Personen im lokalen Netzwerk übergeben. Und Conduit sollten ohnehin alle im Auge behalten, die an Synchronisation mit anderen Rechnern oder Services interessiert sind.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Evolution

Deutliche Lebenszeichen gibt auch die gerne mal schon halbtot geschriebene Groupware-Lösung Evolution ab. Nicht nur, dass man einige zusätzliche Maintainer für die einzelnen Komponenten aufgenommen hat, tut sich auch bei der Entwicklung so einiges.

Druck

So hat man etwa den Druck-Support deutlich aufgebessert, auch die Suchfunktion im Kalender bietet nun mehr Möglichkeiten. Die Mail-Voransicht zeigt nun das einem Kontakt zugeordnete Bild an, die speziellen Tasten von Multimedia-Keyboards werden ebenfalls unterstützt.

Backup

Neu hinzugekommen ist eine Backup und Restore-Funktion, mit der sich die Einstellungen und Daten des Evolutions leichter auf einen anderen Rechner übersiedeln lassen. Ein Attachement-Reminder warnt wenn man ein Mail ohne Anhang abschicken will, dessen Inhalt suggeriert, dass ein solcher eigentlich vorhanden sein sollte. Die zugehörige Wortliste lässt sich über die Plugin-Einstellungen frei definieren.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Benachrichtigung

Ein weiterer Neuzugang ist die grafische Benachrichtigung über neue Mails in der Inbox, gefilterte Mails werden dabei ebenso ausgeblendet wie Spam-Mails. Apropos Spam: Neben SpamAssassin kann der Evolution nun auch den Bogofilter zum Filtern von Junk-Mail einsetzen. Eine Funktionalität, die zwar bisher schon einige Distributionen in ihren Paketen umgesetzt hatten, dem Upstream-Evolution bislang aber fehlte.

Magic

Das "Blättern" durch neue Nachrichten einfacher machen, soll der "Magic Spacebar": Der Druck auf die Leertaste in der Mailvoransicht springt automatisch auf das nächste ungelesene Mail weiter.

Performance

Dazu kommen eine Vielzahl von Bugfixes und Performance-Verbesserungen. Vor allem die BenutzerInnen der Exchange-Anbindung können sich darüber freuen: Diese geht nun um ein Vielfaches schneller als die Vorgängerversion zu Werke.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Keyring

Zu den wohl am öftesten kritisierten Nervigkeiten des GNOME-Alltags gehört der Umstand, dass die BenutzerInnen von verschlüsselten WLAN-Netzen nach dem Login meist noch ein weiteres Passwort eingeben müssen, um den GNOME Keyring freizuschalten.

Öffnen

Mit der neuen Release soll damit Schluss sein: So denn die jeweiligen Distributionen dies integrieren, kann der GNOME Keyring automatisch beim Login mitgeöffnet werden, eine weitere Eingabe entfällt also. Für alle, die dies aus Sicherheitsgründen ablehnen, interessant: Das Ändern des GNOME Keyring Master-Passwortes kann nun auch über das Einstellungstool der Verschlüsselungssoftware Seahorse erfolgen. Der bisher benutzte GNOME Keyring Manager wird somit obsolet.

Seahorse

Ansonsten hat Seahorse auch noch das eine oder andere neue Feature spendiert bekommen. So bietet man nun etwa mehr Informationen über gefundene Signaturen beim Entschlüsseln, auch können mehrere Dateien gemeinsam verschlüsselt und das dabei zu verwendende Packformat frei gewählt werden.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Text

Der Texteditor Gedit profitiert vor allem vom Rewrite des Syntax-Highlighting-Backends gtksourceview. Dank dessen erkennt die Software nun unter anderem PHP oder Ruby-Codeteile in einer HTML-Seite und hebt die einzelnen Elemente korrekt hervor.

Farbenspiel

Zusätzlich kann nun das Farbschema zur Darstellung frei gewählt werden, einige Vorschläge liefert man bereits mit. Auch an den einzelnen Plugins wurde wieder gefeilt, so kann man etwa auf Wunsch vordefinierte Schnippsel Im- und Exportieren.

Screenshot: Andreas Proschofsky

EOG

Der Bildbetrachter Eye of GNOME (EOG) wurde im Kern vollständig neu geschrieben, was eine deutliche Beschleunigung der Software mit sich bringt. Dabei hat man der Software auch gleich Plugin-Support spendiert, um sie leichter erweitern zu können, als Programmiersprache kann man hier unter anderem Python verwenden.

Preview

Das User-Interface wurde ebenso umgestaltet etwa mit einem neuen Voransichtsstreifen für Bildersammlungen und einem frischen Dialog für weiterführende Informationen. Die Anbindung an andere Anwendungen wurde ebenso verbessert, so dass sich Bilder leicht an andere Programme - etwa die Bildbearbeitung GIMP - weiterreichen lassen.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Formulare

Der Dokumentbetrachter Evince hat ein entscheidendes neues Feature spendiert bekommen, dass es mehr und mehr zum vollwertigen Acrobat Reader-Ersatz werden lässt: Mit der neuen Version lassen sich nun auch PDF-Formulare ausfüllen.

Strom

Im Bereich Stromsparen hat man ebenfalls einige Optimierungen vorgenommen. So sollen einzelne Komponenten wie der GNOME Power Manager oder der Videoplayer Totem nun seltener den Kernel "aufwecken" wodurch die CPU länger in einem tieferen Schlafmodus verweilen kann. Der GNOME Power Manager legt darüber hinaus jetzt Profile über die Lade-Entwicklung von Batterien an, so dass die Voraussagen über die verbleibende Zeit im Akku-Betrieb wesentlich genauer sein soll.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Integration

Verbesserungen gibt es auch beim Window Management zu berichten: So lassen sich die einzelnen offenen Fenster nun in der Task-Leiste per Drag & Drop umsortieren. Außerdem hat man die Unterstützung für den alternativen Windows Manager Compiz und dessen Desktop-Effekte erweitert, bisher mussten die Distributionen hier einige Patches einspielen, damit alles so wie geplant funktioniert.

Nachricht

Ein nützliches kleines Feature hat der GNOME Screensaver spendiert bekommen: Ist der Rechner gesperrt gibt es nun einen neuen Knopf mit dem der gerade eingeloggten Person Nachrichten hinterlassen werden können. Diese werden dann nach dem Entsperren des Screens in einer Benachrichtigung dargestellt.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Nautilus

Beim Dateimanager Nautilus hat sich hingegen dieses mal nicht sonderlich viel getan, der Kernentwickler der Software ist damit beschäftigt einen neuen Virtual Filesystem-Layer (gvfs) für den GNOME zu schreiben, der in der kommenden Release grundlegende Verbesserungen bringen soll.

Grafik

Immerhin ist es sich aber doch noch ausgegangen, dass der Informationsdialog ab sofort mittels Tortengrafik darstellt, wie viel Platz noch auf einem Datenträger frei ist. Auch werden die Thumbnails von Fotos im Nautilus nun automatisch anhand ihrer EXIF-Daten rotiert.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Flott

Einige weitere Verbesserungen im Schnelldurchlauf: Das Deskbar Applet hat ein neues Interface spendiert bekommen und wurde ebenfalls zu weiten Teilen neu geschrieben. Mit Accerciser wurde ein neues Tool in die Entwicklungssuite aufgenommen, das Programme in Hinblick auf ihre Barrierefreiheit testen kann. Der User Profile Editor Sabayon, mit dem sich leicht Voreinstellungen für ganze BenutzerInnengruppen festlegen lassen, kann nun auch mit OpenOffice.org-Preferences umgehen.

Totem

Der Multimedia-Betrachter Totem kann auf Wunsch automatisch nach benötigten Multimedia-Codecs suchen - etwas das allerdings die Integration dieser Funktionalität in die jeweilige Distribution verlangt. Auch wurde das Browser-Plugin des Totem erheblich verbessert, so dass man nun unter anderem problemlos in die Vollbildansicht wechseln kann.

Download

GNOME 2.20 steht ab sofort in Form des Source Codes von der Seite des Projekts zum Download, die entsprechenden Pakete sollten schon bald in die Entwicklungsreleases zahlreicher Distributionen einfließen. Derweil plant man schon für GNOME 2.22: Hier sollen dann einige grundlegende Verbesserungen in Hinblick auf die Basistechnologie der Software kommen, etwa durch ein neues Applet-API oder den zuvor schon erwähnten gnome-vfs-Ersatz gvfs. Was dann tatsächlich Aufnahme findet, hängt aber letztendlich schlicht davon ab, wie weit die Entwicklung bis Mitte März gediehen ist - dann soll die kommende Release nämlich wieder zeitgerecht erscheinen. (Andreas Proschofsky)

Screenshot: Andreas Proschofsky