Julian Schnabel (li.) instruiert seinen Hauptdarsteller Mathieu Amalric – rechts in "Schmetterling und Taucherglocke" mit Mannequin (Anna Chyzh).

Foto: Polyfilm
Berlin – Julian Schnabel ist aus Helsinki, wo eine Ausstellung mit 32 Gemälden eröffnet wurde, nach Berlin gekommen, um über seinen Film Schmetterling und Taucherglocke zu sprechen. Es ist die Adaption eines Buches, das ein Mann geschrieben hat, der nach einem Schlaganfall nur noch sein linkes Auge bewegen konnte – Jean-Dominique Bauby, bis 1995 Chefredakteur der französischen Zeitschrift Elle . Eine bewegende Geschichte, ein Weltbestseller, nun ein Film. Julian Schnabel, der schon Interviews im Bademantel gegeben hat, trägt heute eine Art Pyjama unter dem Sakko. Nun putzt er aber zuerst einmal seine Brille.

Schnabel: Haben Sie auch immer Schwierigkeiten, das Ding sauberzubekommen?

Standard: Immer. Wenn Sie das aber so stört, sollten Sie sich vielleicht lasern lassen.

Schnabel: Mein Bruder hat das machen lassen. Ich habe Lesebrillen, ich brauche sie nicht wirklich, aber jetzt tue ich ständig damit herum. Stellen Sie sich vor, Jean-Do hatte so ein Gestell vor Augen und konnte es nie abnehmen.

Standard: Stimmt es, dass Sie eine Brille vor die Kamera schrauben ließen?

Schnabel: Ja, das war ja tatsächlich seine Perspektive. Sein Kopf war durch die Lähmung des ganzen Körpers immer ein wenig nach hinten geneigt. Er hatte ständig diesen horizontalen Balken in seinem Bild, und um das auch gut zu vermitteln, habe ich eine Brille vor der Kamera befestigt.

Standard: Wie kamen Sie überhaupt zu "Schmetterling und Taucherglocke" – die Filmrechte waren sicher sehr begehrt.

Schnabel: Normalerweise schreibe ich meine Sachen selber. Scott Hicks war an dem Buch dran, wer sonst noch, weiß ich nicht, aber das Projekt ging durch Inkarnationen. Ron Howard sollte ein Drehbuch für Kathleen Kennedy schreiben. Sie sprachen mit Johnny Depp, der sagte, er würde das mit mir machen, aber wegen Piraten der Karibik wurde das nichts. Ich wollte den Film sowieso in Französisch drehen. Mathieu Amalric, der nun Jean-Do spielt, kannte ich aus Ende August, Anfang September von Olivier Assayas. Das war mein Beitrag. Aber denken Sie sich die vielen Konfusionen, bevor so ein Projekt umgesetzt wird.

Standard: Fühlen Sie sich da nicht manchmal wie ein Auftragsarbeiter, wo Sie doch als Maler einfach tun können, was Sie wollen?

Schnabel: Ich bin kein Auftragsarbeiter. Ich hatte immer den Final Cut. Hier war es besonders, weil jemand mit einem Drehbuch zu mir kam. Daraus habe ich aber den Film gemacht, den ich wollte. Natürlich muss jemand die ganze Sache zahlen. Das setzt einen Vertrauensvorschuss voraus. Produzenten sehen das wie ein Geschäft. Ich nicht. Mein Vater lag im Sterben, er war auch in seinem Körper eingesperrt – damit musste ich zurechtkommen. So stand ich zu diesem Projekt. Ich wollte Das Parfüm verfilmen, war aber mit Bernd Eichinger, der die Rechte hatte, uneins …

Standard: Wie hätten Sie es gemacht?

Schnabel: Ich hätte nicht versucht, Grenouille zu einem normaleren Menschen zu machen. Das war ein riesiger Fehler. Wenn Grenouille in die Berge geht und dort die Luft einatmet, dann sollte er bis nach Ägypten riechen können. Man müsste Ökosysteme vorbeifliegen sehen. Die Höhle war die Essenz des Buchs und des Films. Die Gewebe seines Traums fielen auseinander, deswegen kam er heraus. So hätte ich angefangen.

Standard: Sie haben schon in den 80ern, als Sie den damaligen Kunstboom wie kaum ein anderer Maler persönlich verkörperten, eine Art Autobiografie geschrieben.

Schnabel: Na ja, das waren eher Notizen. Gary Oldman wollte daraus einen Film machen, in dem zwanzig Leute mich hätten spielen sollen. I’m Not There über Bob Dylan habe ich nicht gesehen, aber diese Idee gab es schon damals. Ich fühle mich sehr privilegiert, dass ich am Leben bin und tun kann, was ich tue. Ich bin ja nicht beschäftigbar, nicht einmal als Malerstar. Die Kunstwelt sucht dauernd jemanden, der eine Bewegung perfekt verkörpert und dann nur noch das tut, was seine Marke ausmacht. Ich wollte mich nie neu erfinden, das Malen interessiert mich bis heute. Aber als mein Freund Jean-Michel Basquiat 1988 starb, dachte ich: Ein Tourist wird einen Film über ihn machen. Besser, ich mache das richtig.

Standard: Beschreiben Sie den Unterschied zwischen Malen und Filmen.

Schnabel: Malen ist für mich wie Atmen. Filmemachen ist näher am Übersetzen, man übersetzt ständig: ein Drehbuch für die Schauspieler, eine Vorlage für einen Produzenten. Beim Malen folge ich einen ganzen Tag meiner Intuition und kann am nächsten Tag alles revidieren. Nichtwissen ist das, worum es geht. Bei Schmetterling und Taucherglocke hatte ich eine Schauspielerin, Marie-Josée Croze – unglaublich ernsthaft und manchmal stark von der Situation mitgenommen. Da muss ich dann auf sie eingehen, auf Umwegen komme ich doch zu der gewünschten Szene, die nun aber auch von ihr geprägt ist. Ist das wie Malen? Ja, nur dass eben Leute dabei sind.

Standard: In New York haben Sie gerade ein Haus für sich gebaut, einen Palazzo auf dem Dach eines Gebäudes in Greenwich Village. Ihr Lebenswerk?

Schnabel: Ach, wissen Sie, das sollten Sie nicht zu wichtig nehmen. Wenn man lieber daheim bleibt und nicht immer ausgehen möchte, will man etwas haben, wo man sich aufhält. Es ist wie eine Skulptur, wie Venedig in New York. Die Zeitungen machen ein großes Ding daraus. Ich sage nur: "Why does the dog lick his balls? Because he can."

(Bert Rebhandl, DER STANDARD/Printausgabe, 21./22./23.03.2008)