Bild nicht mehr verfügbar.

Auch wenn der atomare Konflikt lokal begrenzt bliebe, hätte er globale Folgen: Ökosysteme könnten zusammenbrechen und viele Arten aussterben.

Foto: Reuters/DSWA-DASIAC
Die Folgen wären unter anderem eine "kleine Eiszeit", mehrere Jahre ohne Sommer und ein riesiges Ozonloch.

***

Washington - Das Szenario ist nicht ganz abwegig: Nach Wochen der Eskalation im wieder aufflammenden Kaschmir-Konflikt und Vermittlungsversuchen des UN-Sicherheitsrates überqueren indische Panzerverbände die Grenze zu Pakistan. Der durch bürgerkriegsähnliche Zustände geschwächten pakistanischen Armee droht die totale Niederlage.

In einer Panikreaktion greifen die Machthaber zur ultimativen Waffe. Ein atomarer Raketenangriff löscht die westindische Millionenstadt Mumbai aus. Die Inder schlagen umgehend zurück. Schon kurz darauf haben beide Länder einander Großstädte in radioaktiv verseuchte Schutt und Asche gelegt.

Dieses Horrorszenario möge nie Realität werden. Was aber passiert, wenn eines Tages doch ein regional begrenzter Atomkrieg zwischen "neuen" Nuklearmächten ausbrechen sollte?

Brennende Megastädte

Dieser Frage ist ein Forscherteam von drei US-Universitäten auf den Grund gegangen. Das Hauptinteresse der Experten gilt den globalen Auswirkungen eines solchen wahnwitzigen Waffengangs durch die Beeinflussung der Erdatmosphäre. Brennende Megastädte würden riesige Rußmengen freisetzen und verhängnisvolle Kettenreaktionen auslösen. Mit höchst unangenehmen Folgen für die restliche Weltbevölkerung.

Zuerst fütterten die Forscher ein computerbasiertes Klimasimulationsmodell mit den Eckdaten eines möglichen Atomkriegs zwischen Indien und Pakistan. Man ging davon aus, dass beide Länder von jeweils 50 Sprengköpfen getroffen würden, deren Stärke der der Hiroshima-Bombe (15 Kilotonnen TNT) glich.

Vorangegangene Berechnungen hatten eine Gesamt-Rußproduktion von bis zu fünf Millionen Tonnen infolge der Feuersbrünste ergeben. Dieser schwarze Staub heizt sich im Sonnenlicht sehr schnell auf und verursacht so einen starken Aufwind - die Partikel werden bis in die oberste Schicht der Stratosphäre getragen.

Dort verbleiben sie jahrelang und mindern die eingestrahlte Sonnenenergie um bis zu 15 Watt pro Quadratmeter (vgl. "Atmospheric Chemistry and Physics", Bd. 7, S. 2003). Eine globale Abkühlung um durchschnittlich 1,25 Grad Celsius wäre das Ergebnis. In Europa würde die Temperatur sogar um einige Grad sinken, es gäbe gleich mehrere "Jahre ohne Sommer". Ganze Ernten könnten ausfallen.

Eine nukleare "Kleine Eiszeit" wäre allerdings nicht die einzige globale Verheerung eines regionalen Atomkriegs. Das Expertenteam simulierte auch den Einfluss des Rußes auf die Chemie der Erdatmosphäre, und kam zu einem erschreckenden Schluss: Die durch die schwarzen Partikel verursachte Erhitzung der Stratosphäre (um 30 bis 60 Grad Celsius im ersten Jahr nach dem Krieg) und die damit verbundenen Gasumwälzungen würden ozonzerstörende Reaktionen stark begünstigen.

Weltweit wäre die gegen gefährliche UV-Strahlung schützende Ozonschicht fünf Jahre lang um durchschnittlich 20 bis 25 Prozent verringert, schreiben die Forscher in der neuen Ausgabe des Fachblatts "Pnas". In unseren Breiten betrüge die Reduktion bis zu 45 Prozent.

Katastrophale Folgen

Die Auswirkungen solcher riesiger Ozonlöcher wären katastrophal. "Es könnte zum Aussterben diverser Arten und dem Zusammenbruch ganzer Ökosysteme kommen", warnt Atmosphärenforscher Michael Mills von der University of Colorado gegenüber dem STANDARD. Auch die Landwirtschaft wäre schwer betroffen. Angesichts dessen ist Mills Hauptsorge nicht weiter überraschend: "Wir müssen alles tun, um die weitere Verbreitung von Atomwaffen zu stoppen und schwelende Konflikte zu lösen." (Kurt de Swaaf/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 8. 4. 2008)