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Foto: APA/Artinger
Wien - Der in Wien aufgewachsene und 1938 in die Emigration gezwungene Wissenschaftshistoriker und Physiker Gerald Holton von der Harvard University wurde am Montag mit dem Österreichischen Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst I. Klasse ausgezeichnet. Der Ko-Autor des soeben auf Deutsch erschienen Buches "Was geschah mit den Kindern?" hat die Auszeichnung von Wissenschaftsminister Johannes Hahn überreicht bekommen. Nach einem Vortrag Montag Abend in Wien zum Thema "Einheit und Vielheit der Wissenschaften", werden Holton und sein Kollege Gerhard Sonnert Dienstag Abend ihr Buch über die NS-Kinder-Flüchtlinge im Rahmen der Vortragsreihe "Abschiede 1938" in Wien präsentieren.

Unter dem Titel "What Happened to the Children Who Fled Nazi Persecution" (Palgrave Macmillan 2006) fanden die Untersuchungen Holtons und des Wissenschaftssoziologen Gerhard Sonnert zu den Schicksalen von rund 28.000 Kindern und Jugendlichen aus Deutschland und Österreich, die in den 1930er und 1940er Jahren vor dem NS-Regime in die USA flüchteten, bereits breite Beachtung. Nun liegen die Ergebnisse der mehrjährigen Studie auf Deutsch vor (LIT Verlag 2008). In dem Buch beschreiben die Autoren das Leben ehemaliger Flüchtlingskinder und dokumentieren deren Berufskarrieren, die trotz psychischer Traumata und Nachwirkungen ihrer Verfolgung häufig sehr beeindruckend verliefen.

Flucht aus Wien

Holton, der am Dienstag Bundespräsidenten Heinz Fischer trifft, zählt selbst zum Kreis der Betroffenen: Er wurde am 22. Mai 1922 in Berlin geboren und wuchs in Wien auf. Im Jahr 1938 flüchtete Holton vor dem NS-Regime aus Wien und gelangte mit einem Kindertransport zunächst nach Großbritannien. Später emigrierte er mit seinen Eltern in die USA.

Der Forschungsprofessor der Physik und Wissenschaftsgeschichte von der Harvard University widmet sich im Zuge seiner Arbeit vor allem der Hochdruckphysik sowie der Geschichte und Philosophie der Naturwissenschaften. Zu jenen Werken, die ins Deutsche übersetzt wurden, zählen - neben der aktuellen Erscheinung - u.a. die "Thematische Analyse der Wissenschaft" (Suhrkamp), "Einstein, die Geschichte und andere Leidenschaften" (Vieweg) sowie "Wissenschaft und Anti-Wissenschaft" (Springer).

Holton war im Laufe seiner Karriere auch Assistent des ebenfalls 1938 vor den Nazis in die USA geflohenen Physikers und Philosophen Philipp Frank (1884-1966), einem Mitglied des Wiener Kreis, und ist seit der Gründung des Instituts Wiener Kreis im Jahr 1991 Mitglied des wissenschaftlichen Beirats. (APA)