Kabul - Nach knapp einwöchigen Spekulationen bestätigte die von den Taliban vertriebene rechtmäßige Regierung Afghanistans am Samstag: Ihr militärischer Führer Ahmed Shah Massud hat den Mordanschlag vom vergangenen Sonntag nicht überlebt. Tagelang wollten Massuds Anhänger den Tod nicht bestätigen - vermutlich, um sich für eine Offensive der Taliban gegen ihre Positionen im Nordosten des Landes zu wappnen. Denn die in Kabul herrschende und international geächtete Fundmentalisten-Miliz erhoffte sich vom Tode ihres 49-jährigen Hauptgegners einen militärischen Vorteil, nachdem sie sich seit Jahren an ihm und seiner "Nordallianz" die Zähne ausgebissen hatte. Seit 1994 kämpfte Massud gegen die von Pakistan unterstützten Taliban. Als die Miliz der Koranschüler im September 1996 die Hauptstadt Kabul einnahmen, zog sich Massud in seinen Geburtsort und seine Hochburg, das Pandschir-Tal, zurück. Innerhalb weniger Monate eroberten die Taliban vier Fünftel des Staatsgebietes. Immer wieder starteten sie neue Offensiven, um auch ihren letzten ernst zu nehmenden Gegner zu besiegen. Zuletzt kontrollierte die von Massud geführte Anti-Taliban-Koalition ein Zehntel des gebirgigen Landes. Massud galt als Symbolfigur des zehnjährigen Widerstandskampfs der afghanischen Mujaheddin gegen die Sowjetunion. Damals gelang es dem Strategen, den militärisch haushoch überlegenen Sowjettruppen bis zum Ende des Afghanistan-Krieges (1979 bis 1989) die Stirn zu bieten. Nach dem Abzug der Invasoren zog Massud 1992 in die afghanische Hauptstadt Kabul ein und wurde zum Verteidigungsminister ernannt. Im Mai 1993 gab er dieses Amt wieder auf, wie es ein Friedensabkommen der neun rivalisierenden Mujaheddin-Fraktionen vorsah. Er selbst gehörte der "Jamiat Islami" von Präsident Burhanuddin Rabbani an. Wenig später fand er sich erneut im Widerstand wieder - diesmal gegen die Taliban. Massuds Vorfahren stammen aus Tadschikistan, sein Vater war Oberst in der königlichen afghanischen Armee. Schon 1975 zog der "Löwe des Pandschir" in den bewaffneten Kampf. Damals beteiligte sich Massud an einer der ersten islamischen Revolten, die jedoch von der Armee von Staatschef Mohammed Daoud niedergeschlagen wurde. Für seine weiteren Kämpfe studierte Massud die Schriften Mao Tse-tungs und Che Guevaras. Allgemein galt der afghanische Kriegsherr als unabhängiger Kopf, der sich nicht von ausländischen Geheimdiensten einspannen ließ. Täglich las er mit moslemischen Schriftgelehrten den Koran. Im Spektrum der islamischen Kräfte war Massud eher auf der Seite der Gemäßigten zu finden. (APA)