Der Zeller ist ein verkanntes Gemüse, meist fristet er ein verschrumpeltes Dasein im Suppengemüsebund. Er ist von Natur aus nicht unbedingt das ansehnlichste Gemüse, doch schon das Schälen eines frischen Zellers zeigt, was in ihm steckt, wenn augenblicklich sein erdig-frischer, leicht säuerlicher Duft die Küche füllt. Einmal gegart, reicht sein Konsistenzspektrum von knackig bis flaumig-weich. Für ein Gemüse schmeckt er erstaunlich fleischig, dazu ein wenig süß, ein wenig herb und würzig, mit Aromen irgendwo zwischen Stangensellerie und Apfel.

Frisch und roh geraspelt ist er eine herrliche Salatauffrischung, ein Jahr in Salzteig getrocknet, sieht er aus wie eine Trüffel vom Mars und kann wie Käse als komplexe Würze über Gerichte gerieben werden. Lang gekocht, lässt sich ein ziemlich cremiges Püree aus ihm rühren, wenn man ein wenig Ei und sehr viel Butter zu Hilfe nimmt. Am besten aber ist er vielleicht, wenn man ihm die gleiche Ehre erweist wie einem Sonntagsbraten: ganz langsam im Rohr auf den Punkt gebraten und dabei ordentlich mit kräftiger Suppe begossen, wird aus der Knolle eine fast festliche Köstlichkeit.

Foto: Tobias Müller

Die Idee für den Zellerbraten verdanke ich einem Rezept, über das ich bei "ambrosiamag.com" gestolpert bin, und das angeblich von Rene Redzepis Frau Nadine stammt (In diesem schönen Buch findet sich übrigens ein ähnlicher Ansatz). Nadine serviert ihren Zeller mit einer Buttermilchsauce und überhäuft ihn mit Parmesan, Pinienkernen und, für die Knusperkomponente, frittierten Kohlchips. Ich habe das mehr oder weniger genau nachgekocht und war begeistert. Nicht nur vom Zeller, sondern auch von der Buttermilchsauce.

Frau Redzepi bräunt für die Sauce Butter und gießt dann unter ständigem Rühren Buttermilch hinzu. Das Ergebnis ist eine umgekehrte Mayonnaise: eine Wasser-in-Öl-Emulsion, bei der das Lecithin der Buttermilch (statt wie bei der Mayonnaise vom Eigelb) für die Bindung sorgt (sie fertigt also quasi eine Buttermargarine). Das Ergebnis ist außergewöhnlich köstlich: Wenn man das richtige Mischverhältnis findet, entsteht eine luftige Creme, in der die kräftigen Aromen der braunen Butter von der Säure der Buttermilch beflügelt werden. Einziger Wermutstropfen: Als richtige Sauce auf dem Teller ist die Verbindung leider ungeeignet. Sobald das heiße Gemüse damit in Berührung kommt, tut die Butter darin, was Butter eben tut, wenn sie erhitzt wird: Sie schmilzt. Die Emulsion trennt sich, und zurück bleibt eine fette Pfütze aus brauner Butter und Buttermilch.

Ich habe den Menschen beim Ambrosia eine E-Mail geschrieben und gefragt, ob ihnen da ein Fehler unterlaufen ist, mehr als den Hinweis, das Gemüse kühler zu servieren, habe ich nicht bekommen. Statt die Butter-Margarine als Sauce zu benutzen, habe ich sie schließlich einfach als Dip dazugereicht, und mein heißes Gemüse stattdessen mit etwas Rindschmorsaft übergossen, den ich zufällig im Tiefkühler gefunden habe. Außerdem habe ich die Kohlchips weggelassen und durch gedämpften Pok Choi ersetzt – vor allem, weil ich zu Hause nie frittiere, der Ölaufwand ist mir einfach zu groß.

Vor dem Rezept noch eine Anmerkung in eigener Sache: Die alljährliche vorweihnachtliche Beste-Kochbuch-Liste gibt es ab jetzt >> hier.

Festlicher Zellerbraten für zwei plus ein Buttermilch Dip

Das Backrohr auf 180 Grad vorwärmen. Den Zeller vierteln und schälen, die Viertel mit etwas Öl einreiben, mit einer der Breitseiten nach unten in eine Pfanne legen und bei 180 Grad für 20, 25 Minuten ins Backrohr schieben. Wenden – also auf die andere Breitseite drehen – und weitere 20 Minuten braten. Der Zeller sollte dabei auf beiden Seiten bereits ein wenig Farbe nehmen.

Foto: Tobias Müller

Wer sich ein wenig spielen will, wirft die Zellerschale nicht weg, sondern steckt sie in eine Küchenmaschine, häckselt sie klein, bedeckt sie anschließend in einem Topf mit Wasser und lässt das ganze etwa 40 Minuten köcheln. Die abgeseihte Suppe ergibt einen kräftigen, süßlich-nussigen Gemüsefond, der anschließend zum Zellerglacieren verwendet werden kann.

Das Backrohr auf 200 Grad hochdrehen und einen Schöpfer Suppe über den Zeller gießen. Fünf Minuten weiterbraten und dann mit dem Rest der Suppe in der Pfanne übergießen. So lange wiederholen, bis alle Suppe eingekocht ist. Nochmals einen Schöpfer nachgießen und wieder braten und begießen, bis der Zeller durchgegart ist – sobald die erste Suppe dazukommt, dauert das so um die 30 Minuten.

Foto: Tobias Müller

Das geht natürlich mit der Zellersuppe allein – ich habe aber einmal Schweinsfußfond genommen und einmal Rindsbratenschmorsaft, mit Zellerschalensuppe gestreckt. Tiersuppe mit ordentlich Gelatine sorgt einfach für mehr Tiefe und Komplexität im Geschmack und einen schöneren, weil besser karamellisierten Zellerbraten.

Inzwischen können Sie die Butter-Margarine mischen: Ein ordentliches Stück Butter – etwa 150 Gramm – über mittlerer Hitze schmelzen und so lange blubbern lassen, bis sich die festen Stoffe in der Butter braun färben und sie beginnt, nussig zu riechen.

Foto: Tobias Müller

Regelmäßiges Umrühren beschleunigt den Prozess. Achtung: Am Ende geht's mitunter sehr schnell, und die Butter verbrennt. Die heiße Butter sofort aus dem Topf in eine andere Schüssel umgießen, um den Bräunungsprozess zu stoppen.

Foto: Tobias Müller

Auf Körpertemperatur herunterkühlen lassen, etwa 30 Minuten. 120 Ml Buttermilch auf Zimmertemperatur bringen – Butter und Buttermilch sollten ungefähr die gleiche Temperatur haben. Langsam in die braune Butter gießen und dabei ständig kräftig mit einem Schneebesen oder ähnlichem rühren, ganz so, wie man Mayonnaise macht.

Foto: Tobias Müller

Achtung: Lieber zu wenig als zu viel Buttermilch zugießen und nur so lange weitermachen, bis die Masse cremig, aber noch relativ weit entfernt von fest ist – die Emulsion kippt sonst leicht, Buttermilch und Butter trennen sich wieder. Im Notfall hilft's, ein wenig mehr Butter unterzurühren.

Foto: Tobias Müller

Wenn der Zeller gar und wunderschön rotbraun ist, mit geriebenem Hartkäse bestreuen und nochmals fünf Minuten backen. Kurz rasten lassen und mit Beilagen ihrer Wahl – gerösteten Nüssen, gedämpftem Blattgemüse, Bratensaft – und der Braune-Butter-Margarine als Dip servieren. (Tobias Müller, 27.11.2016)

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