In Purbach am Neusiedler See werden diesen Sommer originalgetreue Cevapcici nach Leskovac-Art gegrillt.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Gegrillte Cevapcici mit knoblauchschwangerem Ajvar, ordentlich Zwiebel und dick-rahmigem Kajmak im Weißbrot-Laberl.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Auf den ersten Blick ist das Traditionslokal am Purbacher Spitz ein unwahrscheinlicher Ort, um sich mit forsch gegrillten Cevapcici, knoblauchschwangerem Ajvar, ordentlich Zwiebel und dick-rahmigem Kajmak anzutrenzen. Immerhin ist das Kloster am Spitz so etwas wie der Inbegriff gutbürgerlicher Ausflugsgastronomie, mit jahrzehntelanger Geschichte nicht zuletzt als sonntagmittäglicher Rückzugsort mehrerer Bundeskanzler verschiedener Couleur. Hier wird gepflegte pannonische Küche aufgetragen und bester Wein aus eigenen und angrenzenden Rieden kredenzt.

Dass es ausgerechnet jetzt im Hochsommer, noch dazu an den Wochenenden, von weitem nach Cevapcici und Pljeskavica vom Grill duftet, die ohne Besteck und Teller in Weißbrot-Laberln serviert werden, ist der Liebe zu verdanken. Betreiber Wolfgang Schwarz und seine Frau haben Nachwuchs bekommen und beschlossen, den Sommer gemütlich anzugehen. Das Kloster hat deshalb bis September nur wochentags und auch da nur abends geöffnet. Das nebenan gelegene Hotel wird zu exklusiven Appartements umgebaut, sieht derweil aber noch mehr wie eine Ruine aus.

Den aus Slowenien gebürtigen Spitzenkoch und lokalen Wirt Max Stiegl (Gut Purbach) aber brachte just dieser ernüchternde Anblick auf eine Geschäftsidee: Weil er, wie viele seiner ehemaligen Landsleute, von akuter Jugo-Nostalgie geplagt wird und schon die längste Zeit Sehnsucht nach einer ungeschminkt balkanesischen Grillerei hat (diese im Rahmen seines Zweihaubenrestaurants aber kaum authentisch über die Rampe bringen könnte), sprach er sich mit Schwarz ab und nutzt die prächtige Terrasse mit dem unschlagbaren Neusiedler-See-Blick deshalb an den Wochenenden, um seine Sehnsucht zu stillen. Dass dazu eine exjugoslawische Fahne auf der Hotelruine gehisst wurde, zeugt von Stiegls ironischem Talent, weckt aber natürlich makabre Assoziationen.

North Balkan Food Revolution mag dafür ein etwas hochtrabender Name sein, ein guter Schmäh aber ist es allemal. Was hier vom Grill in die im Holzofen gebackenen Lepina-Laberln (wunderbar großporiges, saftig rauchiges Weißbrot) wandert, lässt keine Wünsche an Geschmack oder Authentizität offen. Dafür hat Stiegl extra einen ausgewiesenen Grillexperten aus Leskovac engagiert.

Mile Borjanovic ist Cevaberl-Meister, in seine Bemmerln kommt ausschließlich faschiertes Kalb, konkret Schulter, Brust und etwas Talg für die Saftigkeit. Mindestens so original ist auch der Ajvar. Den köstlichen Gatsch macht er aus roten Paprika, die zuvor über der Glut von abgerebelten Maiskolben verkohlt und danach geschält werden – nur so ist dem Vernehmen nach der echte Geschmack von Leskovac-Cevaberln zu gewährleisten.

Hasch mich, Keks

Was auch der Laie bemerkt, ist die außerordentliche Befriedigung, die sich nach dem Genuss so eines wohlgefüllten, vor Fleischeslust und milder Rauchigkeit förmlich explodierendem Laberls einstellt. Hendlspieße – nicht minder saftig – gibt es auch, wunderbar mürbe Sarma (Krautrouladen) aus dem Tontopf ebenso. Hinterher werden hocharomatische Haschkekse gereicht. Weiterführende Wirkung darf man sich keine erhoffen: Schlitzohr Stiegl bäckt sie mit Bio-Industrie-Hanf, der zwar charakteristischen Geschmack gibt, aber garantiert THC-frei ist. An den kommenden Wochenenden soll auch ein ganzes Spanferkel über die Glut gehängt werden – spätestens dann wird es den großartigen Weinen von Thomas Schwarz an den Kragen gehen. Einstweilen freut man sich am Märzen aus Kobersdorf, an balkanischen Schnäpsen, an diversen Eistees. Und am herausragend disponierten Roma-Trio, das immer nach 17.00 Uhr auf der Terrasse aufgeigt.
(Severin Corti, RONDO, 14.7.2017)