Richard H. Thaler darf sich über ein Preisgeld von umgerechnet 940.000 Euro freuen.

Foto: APA/AFP

Bild nicht mehr verfügbar.

Hier wird verkündet und begründet, warum er den Preis erhält.

Foto: REUTERS Fotograf: TT NEWS AGENCY

Stockholm – Der US-Verhaltensökonom Richard Thaler erhält den Nobelpreis für Wirtschaft. Seine Arbeit habe eine Brücke geschlagen zwischen den wirtschaftlichen und psychologischen Analysen der Entscheidungsprozesse von Individuen, begründete die Königlich-Schwedische Akademie der Wissenschaften am Montag die Entscheidung. "Seine empirischen Befunde und theoretischen Einsichten waren maßgeblich für die Schaffung des neuen und schnell wachsenden Gebiets der Verhaltensökonomie, die einen tiefgehenden Einfluss auf viele Bereiche der wirtschaftlichen Forschung und Politik gehabt hat." Thaler arbeitet an der University of Chicago.

Praktische Lebenshilfe

In der Fachwelt erhielt die Akademie für ihre Entscheidung Beifall. "Richard Thalers Forschung ist hochaktuell und bietet nicht nur neue Einsichten, sondern auch praktische Lebenshilfen", sagt der Präsident des Münchner Ifo-Instituts, Clemens Fuest. "Er hat in seiner Forschung gezeigt, dass Menschen häufig nicht vollständig rational handeln, sondern eher einfachen Entscheidungsregeln folgen." Als Beispiel nennt Fuest einen Taxifahrer, der als generelle Regel so lange fährt, bis er einen bestimmten Umsatz erreicht an. An Tagen mit hoher Nachfrage höre er früher auf, an Tagen mit schwacher Nachfrage dagegen später. "Wenn viele Fahrgäste gerne ein Taxi hätten, wird das Angebot verknappt, und wenn wenige Gäste da sind, steigt das Angebot", erklärt Fuest. "Genau das Gegenteil wäre notwendig."

"Es ist höchst verdient, dass er gewonnen hat. Er ist schon zweimal zu kurz gekommen", sagt Jean-Robert Tyran, Dekan der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der Universität Wien, dessen Spezialgebiet Behavioral Experimental Economics ist. "Das erste Mal ist er zu kurz gekommen, als Daniel Kahneman den Nobelpreis (2002, Anm.) gewonnen hat. Er ist in Stockholm neben ihm gesessen bei der Verleihung und hat ein saures Gesicht gemacht, er wäre dort schon eigentlich auf der Liste gewesen, aber Kahneman hat sich den Preis geteilt mit Vernon Smith. Und dann hätte er ihn auch für Behavioral Finance verdient, aber da hat Robert Shiller ihn mit zwei anderen (2013 mit Lars Peter Hansen und Eugene Fama, Anm.) geteilt, da ist er auch wieder zu kurz gekommen", so Tyran.

Hochaktuelles Thema

Behavioral Economics sei ein hochaktuelles Thema, "weil es neue Perspektiven auf die Wirtschaftswissenschaften gibt und bahnbrechende Einsichten liefert in allen Bereichen der Grundlagenforschung, aber auch der angewandten Forschung", sagt Tyran. Thaler ist Mitautor von "Nudge: Improving Decisions About Health, Wealth and Happiness", worin er beschreibt, wie man Menschen mit niederschwelligen Maßnahmen dazu bewegt, die richtigen Entscheidungen zu treffen – etwa weniger Energie zu verbrauchen oder die Rundfunkgebühren zu bezahlen. "Das Buch hat die Profession sehr stark bewegt, weil es angewandte Politiklösungen beschreibt, die auf Einsichten von Behavioral Economics basieren", so Tyran. Auch der frühere US-Präsident Barack Obama war ein Anhänger der Nudge-Theorie.

"Behavioral Economics verwirft nicht die traditionelle Ökonomik, sondern verbessert sie", sagt Tyran. Eine wesentliche Erkenntnis sei: "Die Menschen sind beschränkt rational, sie sind nicht so rational, wie die ökonomische Theorie angenommen hat. Sie machen systematische Fehler in gewissen Situationen, aber es ist nicht so, dass man jetzt sagt, alle sind verrückt."

Thaler in Hollywood

Mit seiner Arbeit hat es der 72-Jährige bis nach Hollywood geschafft. In dem Film "The Big Short" – in dem es um das Entstehen der Finanzkrise 2007/08 geht – spielte Thaler in einem Kurzauftritt sich selbst. Gemeinsam mit Selena Gomez erklärt er dabei in einem Spielcasino, wie das Geschäft mit synthetischen "Collateralized Debt Obligations" die Finanzkrise befeuerte, die die Weltwirtschaft in ihre schwerste Rezession seit Ende des Zweiten Weltkriegs stürzte.

2016 war der Preis an die in den USA lehrenden Vertragstheoretiker Oliver Hart und Bengt Holmström verliehen worden, 2015 an den britischen Ökonomen Angus Deaton für seine Analysen über Konsum, Armut und Sozialhilfe. Der Österreicher Ernst Fehr, der ebenfalls in der Verhaltensökonomie forscht, ging erneut leer aus. (APA,Reuters, 9.10.2017)