"Wie Kern gescheitert ist, entbehrt nicht einer tragikomischen Note, dass er gescheitert ist, ist schade."

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Letztendlich war die Erbse doch zu groß. Christian Kern wurde seinem Ruf als Prinzessin mit Nachdruck gerecht. So ganz klar hat er die Gründe für seinen Rückzug aus der Politik ja nicht dargelegt, aber sie sind irgendwo zwischen parteiinternen Intrigen und bösartiger Medienberichterstattung zu suchen und zu finden. Kern selbst hat den Beweis angetreten, dass er für die Politik nicht geeignet ist. Damit hat Doris Bures, die ihm diese Fähigkeit abgesprochen hatte, recht behalten.

Es hätte Kern nicht überraschen dürfen, dass die Medien ihn nicht uneingeschränkt lieben und verehren, ebenso wenig hätte es ihn verwundern dürfen, dass die SPÖ eine intrigante Schlangengrube ist, in der persönliche Eitelkeiten immer noch vor das Gemeinsame gereiht werden. Als Politiker hat man so etwas wegzustecken. Das mag bedauerlich sein, gehört aber zum Anforderungsprofil an jemanden, der in der ersten Reihe stehen will.

Fehlender strategischer Weitblick

Wie Kern gescheitert ist, entbehrt nicht einer tragikomischen Note, dass er gescheitert ist, ist schade. Kern war ein Talent, er hatte versucht, unkonventionelle Zugänge mit pragmatischen Lösungsansätzen zu verbinden. Er hatte ein Gespür dafür, wie man Leute begeistern kann. Zweifellos war eines seiner größten Talente jenes zur Selbstdarstellung. Von der sensiblen Art hatte er wahrscheinlich zu viel, ganz sicher hat er aber strategischen Weitblick vermissen lassen und auf die falschen Leute gesetzt. Was in seinem Umfeld mit oder ohne sein Zutun schiefgegangen ist, kann nicht alles dem Zufall oder einem schlechten Karma zugeschrieben werden.

Kern hätte mit seinem Engagement und seiner Rhetorik gute Chancen gehabt, die SPÖ bei der EU-Wahl auf den ersten Platz zu führen. Die internationalen Kontakte hätte er nützen können, um Allianzen über die europäischen Sozialdemokraten hinaus zu schmieden und dem absehbaren Rechtsruck eine Alternative entgegenzusetzen. Aber letztlich scheint dieses Feuer für Europa doch nicht so stark gewesen zu sein, wie Kern glaubhaft zu machen versucht hat. Er hat sich von ein paar Befindlichkeiten aus der Fassung bringen lassen. Sein Leben wird ohne Politik vermutlich gemütlicher sein. Ohne diese Erbse unter der Matratze wird er besser schlafen.

Schweres Erbe

Pamela Rendi-Wagner hat es mit Kerns Hinterlassenschaft nicht leicht. Die mächtigen Männer in der Partei gefallen sich in ihren Rollen. In Wien zeigt Michael Ludwig mit seiner herablassenden, gönnerhaften und arroganten Art der neuen Parteichefin gegenüber ein unsympathisches Bild. Etwas weniger Gockelhaftigkeit wäre angebracht – bei ihm und anderen.

Die anstehende Europawahl ist für Rendi-Wagner mehr Bürde als Chance: Unter diesen Startbedingungen scheint ein gutes Wahlergebnis oder gar ein Wahlsieg äußerst unwahrscheinlich. Andreas Schieder ist ein braver und solider Kandidat, aber eben nur zweite oder dritte Wahl. Er wurde schon in Wien nach hinten gereicht und musste zuletzt auch auf den Posten des Klubobmanns verzichten. Bei allem internationalen Engagement und Interesse, das Schieder nicht abzusprechen ist, lässt sich der Eindruck einer Versorgungsaktion schwerlich zur Seite zu schieben.

Dass die Sozialdemokraten so wackelig aufgestellt sind, ist aus einem guten Grund bedauerlich: Die türkis-blaue Regierung und ihre Freunde hätten sich eine bessere Opposition verdient, in Österreich und in Europa. (Michael Völker, 7.10.2018)