Aktien von Fluggesellschaften galten in den letzten Jahren als "Geldvernichter" – so sagte es der Investmentguru Warren Buffett. Umso beachtlicher ist, dass der Meister der Anlagekunst sich kürzlich ein paar Flieger in den Hangar seiner Berkshire Hathaway geholt hat. Schon Ende 2016 zeigte ein Bericht des Investmentunternehmens, dass Buffett Anteile der vier größten US-Fluggesellschaften, nämlich American Airlines, Delta Air Lines, Southwest Airlines und United Continental Holdings, besaß. Im Vorjahr meldete Berkshire an die US-Aufsichtsbehörde SEC, dass diese Positionen inzwischen auf rund 9,3 Milliarden Dollar erweitert wurden – satte sieben bis zehn Prozent von jedem der vier genannten Unternehmen. Das war ein Schock für die Investment-Community, hatte das "Orakel von Omaha" doch früher die Branche gemieden wie der Teufel das Weihwasser.

Air Berlin hebt seit dem Vorjahr nicht mehr in die Luft ab. Die Lücke wurde von anderen Anbietern rasch gefüllt. Das bietet nicht nur für Reisende Chancen, sondern auch für Anleger.
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Der Grund für den Sinneswandel erklärt sich in einem Statement von Buffetts rechter Hand Charlie Munger. Dieser meinte, dass der Eisenbahnsektor 80 Jahre lang ein schreckliches Geschäft gewesen sei, dass am Ende aber vier große Schienenunternehmen übrig geblieben seien und diese jetzt ein besseres Geschäft hätten. Etwas Ähnliches passiere laut Munger im Bereich der Fluggesellschaften. Mehr als fünf Prozent des Berkshire-Gesamtportfolios stammen mittlerweile aus dieser Branche. Inzwischen ist Buffett mit seinem Engagement noch einen Schritt weiter: Im zweiten Quartal hat er die Beteiligung an der Billigfluglinie Southwest Airlines um nochmals knapp 20 Prozent aufgestockt – jetzt rätselt die Branche, ob Berkshire Southwest gleich ganz schlucken will. Dass der Altmeister wieder einmal den richtigen Riecher hatte, zeigen die Zahlen: Southwest Airlines und Delta Air überzeugen mit starken operativen Margen. Erstere bringt es auf 15 Prozent, Delta Air Lines folgt mit knapp 13 Prozent. Beide fliegen hoch über dem Branchendurchschnitt von acht Prozent.

Sinneswandel

Nun ist auch die Anleger-Community wieder interessierter. Die Deutsche Bank etwa sieht Aktien europäischer Fluggesellschaften nach deren unterdurchschnittlicher Kursentwicklung in diesem Jahr wieder positiver. Seit Jahresbeginn hätten die Branchenwerte rund 22 Prozent schlechter abgeschnitten als der Gesamtmarkt und seien damit das Schlusslicht in der europäischen Sektorübersicht gewesen, schrieben die Analysten. Doch mittlerweile wird die Branche – gemessen am Kurs-Gewinn-Verhältnis – gleich 50 Prozent unter der Durchschnittsbewertung des Marktes gehandelt.

Als Hauptgründe für die schwache Kursentwicklung ortete man die geringe Wachstumsdynamik in der Eurozone und steigende Treibstoffpreise. Nun aber schätzen die Deutsche-Bank-Experten die Perspektiven für die Fluggesellschaften wieder freundlicher ein: Vor allem in puncto Flugkapazitäten, Umsatz und Einsparungen hätten die Unternehmen Verbesserungspotenzial. Denn in den billigen Branchenaktien liegt laut der Analyse ein durchschnittliches Aufwärtspotenzial von rund 30 Prozent.

Auftrieb für Lufthansa und AIG

Innerhalb des Sektors sieht man vor allem bei der britisch-spanischen Airline-Holding IAG (British Airways, Iberia) Potenzial. Auch für die deutsche Lufthansa ortet man wieder Auftrieb.

Die Credit Suisse sieht Lufthansa hingegen skeptischer. Der Analyst Neil Glynn schraubte seine operativen Ergebniserwartungen für das laufende und kommende Jahr wegen höherer Treibstoffkosten um bis zu zehn Prozent zurück. Grundsätzlich hält der Experte die Marktposition der Fluggesellschaft aber für unterschätzt.

Der HSBC-Analyst Andrew Lobbenberg hat in einer Branchenstudie die Ergebnisprognosen für alle von ihm beobachteten Airlines mit Ausnahme von Ryanair für die Jahre 2018 bis 2020 reduziert. Wenn das Anlegervertrauen in den Sektor zurückkehre, seien Lufthansa und Easyjet seine Favoriten, so Lobbenberg.

Die seit April auch von Wien aus startende ungarische Airline Wizz Air gefällt Branchenanalysten ebenfalls gut. Deutsche Bank, Bank Berenberg, Société Générale, Morgan Stanley und Barclays sehen in dem Unternehmen noch viel Entwicklungspotenzial. Wizz Air ist derzeit von 28 Basen weltweit aktiv. Beim Start in Wien hat die Airline bekanntgegeben, zur Nummer zwei am Flughafen Wien Schwechat werden zu wollen. Wizz Air hat die Marktlücke genützt, die durch das Aus von Air Berlin und Niki entstanden ist.

Basis für Landeanflug

Flugzeuge müssen aber auch immer wieder zurück auf den Boden. Und weil die Fliegerei boomt, reiben sich auch Flughafenbetreiber die Hände. Ein Beispiel dafür ist der Flughafen in Zürich, der heuer seinen 70. Geburtstag feierte. Die Schweizer haben dank eines starken Passagierwachstums von fünf Prozent allein im September deutlich mehr Umsatz erzielt; belastend wirken nur Rückstellungen für das Lärmschutzprogramm. Der Vontobel-Analyst Pascal Furger ortet dank des Kapazitätsausbaus bei der Lufthansa-Tochter Swiss anhaltend gute Flugverkehrszahlen.

Frankfurt – Europas viertgrößter Airport – betreut 89 Fluggesellschaften, bietet Passagierflüge zu weltweit 266 Reisezielen in 101 Ländern (Winterflugplan) an und fertigt 64,5 Millionen Passagieren pro Jahr ab. Auch für diesen Airport bleiben Analysten positiv gestimmt und orten Chancen in der Aktie (Fraport). Auch der Flughafen Wien muss sich nicht verstecken: Die Analysten der Erste Group schraubten ihre Einschätzungen für den Airport zuletzt nach oben.

Auch Hersteller profitieren

Vom Boom am Flugsektor profitieren freilich auch die Hersteller wie Airbus. Das spiegelt sich auch in den Analysen zur Branche wider, die in Bezug auf die Entwicklung der Unternehmen durchwegs positiv gestimmt sind. Boeing – der ewige Konkurrent von Airbus – hatte es zuletzt wegen des Absturzes eines seiner Flugzeuge in Indonesien nicht leicht; der Kurs der Aktie stürzte damals in der Folge auch um rund zehn Prozent auf 290 Dollar ab. Nichtsdestoweniger bleiben Analysten der US-Investmentbank Goldman Sachs und die Privatbank Berenberg bei ihrer Einschätzung, dass auch in diesem Unternehmen die Entwicklung noch Spielraum nach oben zeigen wird. (Reinhard Krémer, 22.12.2018)