Bild nicht mehr verfügbar.

Huawei baut sehr gute Smartphones, die Zukunft ist derzeit aber ungewiss.

Foto: Andy Wong / AP

Der Streit zwischen den USA und Huawei ist in den vergangenen Tagen zunehmend eskaliert. Nachdem das US-Handelsministerium das chinesische Unternehmen auf eine schwarze Liste gesetzt hat, beenden immer mehr Firmen jegliche Kooperation mit Huawei – oder setzen sie zumindest aus. Dabei handelt es sich nicht bloß um US-Unternehmen: Da viele Hersteller US-Technologien einsetzen, haben mittlerweile auch europäische und asiatische Firmen reagiert.

Kernproblem

Am härtesten trifft Huawei dabei das Kooperationsende mit zwei Firmen: Google und ARM. Zusammen bilden sie die entscheidende Basis für Hard- und Software der Smartphones des chinesischen Unternehmens. Durch den Entzug der Android-Lizenz verliert Huawei den Zugang zum Play Store und zu allen anderen Google-Technologien, die nicht ohnehin frei im Quellcode erhältlich sind. Und das Ende der ARM-Partnerschaft bedeutet, dass Huawei keine neuen Prozessoren basierend auf dieser Architektur mehr entwickeln darf – und diese sind im Smartphone-Bereich nun einmal Standard. Huawei müsste also nicht nur ein neues Betriebssystem mit eigenem App Store und dem Verzicht auf US-Apps wie Youtube, Facebook, Instagram und Co etablieren, es gälte für kommenden Smartphone-Generationen auch, auf eine komplett neue Prozessorarchitektur zu wechseln. Ein Schritt, der wohl ein mehrjähriges Unterfangen wäre und zumindest vorübergehend das Aus für Huaweis Smartphone-Sparte bedeuten würde, zumindest außerhalb von China.

Verunsicherung macht sich breit

Während die Smartphone-Welt also gebannt darauf wartet, ob sich nicht doch noch eine Einigung zwischen Huawei und der US-Regierung erzielen lässt, zeigen sich die Nutzer zunehmend verunsichert. Auch beim STANDARD laufen immer mehr Anfragen ein, was man denn als jemand, der derzeit ein Huawei-Smartphone besitzt oder gar an einem Neukauf interessiert wäre, derzeit tun soll. Insofern im Folgenden der Versuch, zumindest eine grobe Hilfestellung zu geben. Dabei sei aber auch betont, dass es derzeit schlicht keine hundertprozentig eindeutigen Antworten geben kann, einfach weil auch einige der Details noch gar nicht bekannt sind und die Ereignisse sich in den vergangenen Tagen überschlagen haben – und das wohl auch vorerst weiter so bleiben wird.

Neukauf oder nicht?

Die dringlichste Frage stellt sich dabei jenen, die gerade auf der Suche nach einem neuen Smartphone sind: Soll ich mir in der aktuellen Lage jetzt noch ein Huawei-Smartphone kaufen oder besser die Finger davon lassen? Das hängt ein bisschen von der eigenen Risikobereitschaft ab: Wer gerade keinen großen Anschaffungsdruck hat, der ist wohl besser beraten, vorerst einmal zuzuwarten, wie sich die Situation weiterentwickelt. Immerhin ist unklar, wie es mit der Softwareversorgung für diese Geräte weitergehen wird.

Zunächst die gute Nachricht: Wer sich aktuell ein Huawei-Smartphone zulegt, bekommt damit auch weiterhin ein voll lizenziertes Gerät samt Play Store, Google-Apps und all den notwendigen Infrastrukturdiensten. Das Problem ist aber, dass nicht klar ist, wie sich diese Situation langfristig weiterentwickeln wird. Die bisherigen Statements von Huawei und Google lassen in dieser Hinsicht viele Fragen offen. So betonen beide, dass es vorerst weiter Sicherheitsaktualisierungen und App-Updates über den Play Store geben wird.

Spurensuche

Auffällig ist aber, dass große Versionssprünge auf neue Android-Versionen hier nicht erwähnt werden. Eine deutlichere Sprache spricht da schon ein anderer Umstand: Die aktuelle Testversion des kommenden Android 10 wurde Anfang Mai für einzelne Geräte diverser Hersteller veröffentlicht, darunter auch das Mate 20 Pro von Huawei. Genau dieses wurde aber in den vergangenen Tagen wieder von der Liste der unterstützten Geräte gestrichen. Es schaut derzeit also nicht gut aus für Updates auf Android 10 und folgende Versionen auf Huawei-Geräten.

Zu all dem kommt, dass selbst die minimale Form der Zusammenarbeit, die Google und Huawei derzeit für Sicherheitsaktualisierungen pflegen, auf einer für 90 Tage gültigen Ausnahmeregelung basiert. Wie es danach weitergeht, ist derzeit noch unklar. Wird diese komplett abgebrochen, könnte es für Huawei schwer werden, überhaupt noch Systemaktualisierungen auszuliefern, da jede neue Version verpflichtend die Kompatibilitätstests von Google bestehen muss – was wohl als Kooperation gewertet würde und somit nicht mehr erlaubt wäre.

Zwei schlechte Auswege

Dies würde Huawei vor zwei Optionen stellen, die erste davon: Das bestehende System mit minimaler Wartung weiter betreiben und darauf hoffen, dass man doch irgendwie zumindest Sicherheitsaktualisierungen und Updates für eigene Komponenten liefern kann, wenn es schon keine großen Android-Sprünge mehr gibt. Wie gesagt: Ob dies überhaupt noch gehen wird, ist derzeit nicht endgültig geklärt.

Ansonsten bliebe Huawei eigentlich nur mehr eine andere Alternative: ein vollständig neues System ohne Google-Dienste für die bestehenden Geräte zur Verfügung zu stellen. So ein kompletter Ersatz des Betriebssystems dürfte aber wohl nur über manuelles Einspielen neuer Firmware klappen, was für die Nutzer ein sehr mühsamer Prozess wäre, bei dem alle Daten verlorengehen. Aber selbst wenn man es schafft, irgendwie eine einfache Update-Lösung zu finden, würden damit nicht nur all die gewohnten Google-Apps, sondern auch jene von anderen vielen anderen Herstellern verlorengehen.

Risikofreude

Doch zurück zur eigentlichen Frage, ob man sich nun ein neues Huawei-Smartphone anschaffen soll oder nicht. Es gibt nämlich noch eine andere Perspektive: Wer darauf spekuliert, dass der Streit ohnehin bald beigelegt wird, der könnte in den kommenden Wochen zu einem echten Schnäppchen kommen. Immerhin ist davon auszugehen, dass mit zunehmender Länge der Auseinandersetzung die Preise für die Geräte des chinesischen Herstellers nachgeben werden. Wer also vor dem oben beschriebenen Risiko nicht zurückschreckt, könnte bald sehr billig zu sehr guter Hardware kommen.

Dabei muss man übrigens derzeit auch noch keinen großen Zeitdruck verspüren, ein Mangel an Huawei-Smartphones zeichnet sich vorerst nicht ab – hat der chinesische Hersteller doch im Vorjahr massiv Komponenten gehortet, um genau auf so eine Krise vorbereitet zu sein, um etwaige Lieferengpässe durch US-Partner abfedern zu können.

Und was ist mit bestehenden Nutzern?

Die aktuelle Situation sorgt natürlich auch bei bestehenden Huawei-Smartphone-Besitzern für Verunsicherung, so mancher denkt dabei sogar darüber nach, ob es besser ist, auf einen anderen Hersteller zu wechseln. Das wäre in der aktuellen Situation aber ziemlich übertrieben, hat der Streit doch momentan noch (fast) keine greifbaren Auswirkungen auf aktuelle Besitzer von Huawei-Smartphones. Und solange sich der aktuelle Nebel nicht gelichtet hat, wäre es auch Geldverschwendung, hier in Panik auf ein anderes Gerät zu wechseln. Immerhin besteht noch immer die Chance, dass der gesamte Konflikt auf politischem Weg beigelegt wird, bevor die breite Masse der User je wirklich etwas von den Auswirkungen zu spüren bekommt. (Andreas Proschofsky, 23.5.2019)