Die neuen Machthaber in Kabul haben die mehreren Hundert Afghanen, die sich in der Hoffnung auf eine Fluchtmöglichkeit vor dem Flughafen der afghanischen Hauptstadt versammelt haben, zur Rückkehr in ihre Häuser aufgerufen. Man wolle niemandem Schaden zufügen, erklärte ein Sprecher der herrschenden Taliban am Donnerstag.

Vor dem Flughafen haben Taliban-Kämpfer Checkpoints errichtet. Berichten zufolge wurden viele Afghanen, aber auch manche Ausländer von ihnen nicht durchgelassen. Auch bei der Evakuierung westlichen Personals gibt es teilweise Probleme mit den Taliban. Zwar würden die Islamisten "kooperieren" und US-Bürger und Botschaftsmitarbeiter ausreisen lassen. Aber bei früheren afghanischen Mitarbeitern der US-Behörden und der US-Streitkräfte gebe es "ein bisschen mehr Schwierigkeiten", berichtete US-Präsident Joe Biden in einem Interview am Mittwoch. Er räumte auch ein, dass es bei den Evakuierungen teilweise zu chaotischen Szenen gekommen ist. Zwölf Menschen sind bei den Unruhen auf dem Flughafen bisher ums Leben gekommen.

US-Soldaten bleiben notfalls länger

Das Gelände wird inzwischen vom US-Militär kontrolliert. Der Kommandeur der US-Truppen dort steht nach Armeeangaben regelmäßig in Kontakt mit den Taliban. Verteidigungsminister Lloyd Austin erklärte, das Militär werde "alles tun, was in unserer Macht steht", um die Lage zu entschärfen und dafür zu sorgen, dass die Menschen zum Flughafen durchgelassen werden. Er betonte allerdings, dass es seinen Truppen nicht möglich sei, den Einsatz auf Kabul auszuweiten. Präsident Biden versicherte aber, dass die US-Soldaten für die Evakuierungen notfalls auch über den geplanten Abzugstermin 31. August hinaus am Flughafen Kabul bleiben werden.

In der Stadt Asadabad in der Provinz Kunar sind indes Augenzeugen zufolge mehrere Teilnehmer einer Kundgebung anlässlich des Nationalfeiertags getötet worden. Taliban-Kämpfer hätten Schüsse abgegeben. Es sei unklar, ob die Menschen bei einer Massenpanik oder durch die Schüsse getötet wurden, sagte ein Augenzeuge der Nachrichtenagentur Reuters. Der Sender Al Jazeera berichtete von mindestens zwei Toten. Die Kundgebungsteilnehmer hätten die offizielle Flagge Afghanistans geschwenkt.

Nehammer rüffelt EU-Kommissarin

Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) hat unterdessen eine "Klarstellung" von EU-Innenkommissarin Ylva Johansson gefordert. Die Schwedin hatte auf legale Fluchtrouten aus Afghanistan gedrängt. "Die Aussage der EU-Innenkommissarin zu legalen Fluchtrouten ist das völlig falsche Signal. Ich bin davon ausgegangen, dass die EU-Kommission aus 2015 gelernt hat und solche Fehler nicht mehr machen möchte", erklärte Nehammer laut einer am Donnerstag der APA übermittelten Stellungnahme. (red, 19.8.2021)

Taliban rufen Afghanen zur Räumung des Flughafens Kabul auf, Tote in Asadabad