Kommt René Benko, oder kommt er nicht? Das war bis zuletzt die zentrale Frage für den zweiten U-Ausschuss-Befragungstag dieser Woche. Der Signa-Gründer war für Donnerstag als Auskunftsperson geladen, wird nun aber doch nicht erscheinen. Die SPÖ will deshalb eine Beugestrafe beantragen. Eduard Müller, Vorstandsdirektor der Finanzmarktaufsicht (FMA), erschien dagegen wie erwartet als Auskunftsperson.

ÖVP-Fraktionschef Andreas Hanger sah der Befragung gelassen entgegen, viele Vorwürfe zum Beispiel gegen das Innsbrucker Finanzamt hätten sich schon aufgelöst, meinte er. Die Neos sahen hingegen die "letzte Chance" für Müller. Fraktionsführer Yannick Shetty bezeichnete ihn als eine der zentralen Figuren in den Skandalen rund um das Finanzministerium; in Deutschland wäre so jemand nicht mehr im Amt. Für die grüne Nina Tomaselli war Müller ein "Wohlfühlmasseur in der Wohlfühlbehandlung" für Reiche im Finanzressort.

"Schmid nicht durchschaut"

Müller war 2019 Finanzminister im Kabinett von Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein und davor von 2015 bis 2018 Sektionschef. Er taucht immer wieder als "Edi" in den Chats von Thomas Schmid auf. Die Unterhaltungen nähren aus Sicht der Abgeordneten den Verdacht, dass sich Müller in Steuerangelegenheiten wohlhabender Österreicher einmischte. Im U-Ausschuss erklärte ein Finanzbeamter vor einigen Wochen, dass Müller und Schmid als "Zwillinge" und wie eine "Eingreiftruppe" agiert hätten. Müller hätte ihm erklärt, dass man Benko helfe, weil er "so viel für Österreich" getan habe.

Im U-Ausschuss sprach der FMA-Vorstand am Donnerstag von "Unterstellungen". Er habe sich in seinem 40-jährigen Berufsleben nichts vorzuwerfen – außer, dass er Schmid nicht durchschaut habe. Er sei sicher nicht dessen "Zwilling", sondern habe rein beruflich drei Jahre mit ihm zusammengearbeitet. Zudem habe er "sicher nie gesagt, dass Benko Retter von Arbeitsplätzen" sei.

Finanzbeamtin ausgeladen

Als zweite Auskunftsperson sagte am Donnerstag noch eine Finanzbeamtin aus, die seit 2018 im Ruhestand ist. Sie war zunächst in der Großbetriebsprüfung (GBP) tätig, bevor sie im Herbst 2017 ins Finanzministerium wechselte. Die Beamtin war an einer Steuersache von Siegried Wolf beteiligt, und weckte deshalb das Interesse der Abgeordneten.

Wolf wird vorgeworfen, eine andere zuständige Beamtin bestochen zu haben, um weniger Abgaben zu zahlen – er selbst bestreitet das. Die Steuer wurde reduziert, die Auskunftsperson bestand dagegen auf die ursprüngliche Höhe. Bei der Schlussbesprechung der Prüfung habe sie dann nicht teilgenommen, weil sie quasi ausgeladen wurde. Dass es letztlich zu einem Steuernachlass für Wolf kam, habe sie überrascht.

Im Sommer habe sie Müller dann zu einem Gespräch gebeten und ihr gesagt, dass sie auf einem der wichtigsten Posten sitze und man diesen anders besetzen wolle. Sie sei daraufhin ins Finanzministerium gewechselt. In ihrer Kollegenschaft habe es immer wieder Leute gegeben, die sich vor politischen Interventionen gefürchtet hätten.

Bevorzugte Behandlung in Innsbruck?

Im Fokus der Befragung Müllers stand Donnerstagvormittag die Verlegung des Signa-Steuerakts von Wien nach Innsbruck. In Benkos Heimatstadt sollen, so der Verdacht, die Prüfer des Finanzamts den Vorstellungen des Signa-Konzerns deutlich entgegengekommen sein. Hintergrund ist eine Immobilie im Wiener Tuchlauben, die nach dem Weiterverkauf an eine befreundete Gesellschaft plötzlich deutlich an Wert gewonnen haben soll. Die Wiener Finanzbehörden wollten, dass die verkaufende Gesellschaft diesen Wertzuwachs besteuert, die genaue Höhe der Bemessungsgrundlage war aber strittig. Nach dem Wechsel des Steuersitzes nach Innsbruck sollen die Beamten dort zu einem günstigeren Ergebnis gekommen sein.

Am Mittwoch hatten sich Beamte des Innsbrucker Finanzamts gegen die Vorwürfe verteidigt und erklärt, nur Berechnungen der Großbetriebsprüfung umgesetzt zu haben. Auch Müller betonte, dass er sich nicht inhaltlich eingebracht habe. Zwar hatte er ein Gespräch mit Finanzbeamten über das Verfahren, dort habe aber nur verhindern wollen, dass Ansprüche der Republik verjähren. Deshalb habe er hier seine Dienstaufsicht wahrgenommen und auf mehr Tempo gedrängt.

Benko habe für ihn keine besondere Bedeutung gehabt, persönlich habe er ihn zumindest einmal getroffen. Von dem Termin in Benkos Büro im Jahr 2017, den Schmid eingefädelt habe, sei er aber überrascht gewesen, sagte Müller, der sich teils Wortgefechte mit den fragenden Abgeordneten lieferte. Benko habe bei dem Treffen drei Punkte erwähnt: die lange Verfahrensdauer, ein dreimaliger Prüferwechsel und "kein Klima der konstruktiven Prüfung". Ob er später an einem weiteren "Call" mit Schmid und Benko teilgenommen habe, konnte Müller nicht mehr genau sagen. Eine Bevorzugung Benkos habe es aber nicht gegeben.

Steuerfall Pierer

Teils war Müller von Erinnerungslücken geplagt, auch rund um den Steuerfall Stefan Pierer. Der hatte wie berichtet laut einer Selbstanzeige mehrere Millionen Euro an Abgaben verkürzt. Hinweise dafür waren bereits im Wahlkampf 2017 aufgekommen, nachdem Pierer als Großspender der ÖVP in Erscheinung getreten war. Müller, Schmid und der damalige Minister Hans Jörg Schelling (ÖVP) hatten daraufhin zur Maulwurfjagd im Finanzministerium geblasen, die teils rechtswidrig gewesen sein soll. Müller gab dazu an, es habe eine Anzeigepflicht gegeben, weil offenbar interne Daten nach außen getragen worden seien. Sein Thema sei die "dienstrechtliche Aufklärung" gewesen.

Wenig sagen konnte Müller zur Frage, wie gut die Banken im Zuge der Signa-Pleite abgesichert sind. Hier hätte Müller als FMA-Vorstand ja einen besonderen Einblick. Er selbst betonte, dass es noch keine gesicherte Datenlage zu unbesicherten und besicherten Krediten der Banken an die Signa gebe. Auf Details könne er aufgrund des Bankgeheimnisses nicht eingehen. Allgemein sei bei einzelnen Instituten festgestellt worden, dass bestimmte Immobilienbewertungen zu hoch ausgefallen seien.

Die Befragung begann um 9 Uhr. DER STANDARD berichtete live. (japf, gra, fsc, 4.4.2024)

Ex-Finanzbeamtin: Kollegen haben sich vor Interventionen gefürchtet