Foto: Christie's

Johann Adolf Freiherr von Tattenbach muss ein übler Bauernschinder gewesen sein: Seine Untertanen zündeten ihm 1626 zweimal sein Schloss St. Martin im Innviertel an. Der wesentlich größere Neubau erfolgte 1630 in Stein. Von da an dürfte den Innenhof eine stattliche, 109 Zentimeter große Bronzestatue geziert haben. Zumindest zeigt ein Kupferstich aus dem Jahr 1700 die Anlage mitsamt der Figur.

1723 brannte das Schloss neuerlich ab. Es wurde, wie auch die dem hl. Florian geweihte Kapelle, bis 1726 wiedererrichtet. Die Figur, die auf einer Säule inmitten des Brunnens stand, hatte die Feuersbrunst unbeschadet überlebt. Und so blieb sie, weit mehr als 100 Kilo schwer, stehen. Niemand erkannte ihren Wert: weder Maximilian Graf Arco-Valley, der durch Erbschaft in den Besitz der Herrschaft kam, noch die Reiter der Spanischen Hofreitschule, die nach dem Zweiten Weltkrieg auf dem Gelände untergebracht war, und auch Gordon Getty nicht, der Sohn des US-Milliardärs, der das unter Denkmalschutz stehende Schloss 1971 gemietet hatte.

Erst 2010, im Zuge einer Routineschätzung des Anwesens, das sich heute im Eigentum der Familie Arco-Zinneberg befindet, fanden Mitarbeiter von Christie's heraus, dass die Bronzestatue ein Werk von Adriaen de Vries ist. Mitte des 16. Jahrhunderts in Den Haag geboren und Ende 1626 in Prag gestorben, war de Vries einer der wichtigsten Bildhauer des Manierismus. Von ihm stammen unter anderem der Merkur- und der Herkulesbrunnen in Augsburg. Den Höhepunkt seiner Laufbahn erreichte er am Hradschin: Kaiser Rudolf II. ernannte ihn 1601 zum kaiserlichen Kammerbildhauer.

Die von de Vries signierte Statue im Schloss St. Martin dürfte aus dem Jahr 1626 stammen – und eine seiner letzten sein. Möglicherweise war sie noch gar nicht fertiggestellt. Denn sie trägt, als sei sie ein Atlas, die Weltkugel. Aber diese schwebt eher, als dass sie drückt. Zudem ist die Figur von Weinreben umgeben. Könnte es sich daher um einen Bacchus handeln, der eigentlich ein Fässchen stemmt? Die Wissenschaft weiß noch keine Antwort. Nur eines ist sicher: Der Globus, wohl nicht von de Vries gefertigt, ist aus einer anderen Legierung.

Am Donnerstag hätte die Skulptur bei Christie's in London zu einem Rekordpreis versteigert werden sollen. Aufgrund einer STANDARD-Recherche kam es aber nicht dazu: Die unter dubiosen Angaben ausgeführte Figur hat nach Österreich zurückzukehren. Die Einhaltung internationaler Ausfuhrgesetze habe Priorität; man bemüht sich um ein ordentliches Ausfuhrverfahren. (Thomas Trenkler/DER STANDARD, Printausgabe, 8.7.2011)