Die zuvor isoliert lebenden Mitglieder eines Volkes aus dem brasilianisch-peruanischen Grenzgebiet haben sich nach Angaben von Anthropologen mit dem Grippe-Virus angesteckt.

Foto: FUNAI

Rio Branco - Anfang Juli hat die brasilianische Behörde zum Schutz der indigenen Bevölkerung (FUNAI) den ersten offiziellen Kontakt eines zuvor isoliert lebenden Volkes im Amazonasgebiet seit fast 20 Jahren bekannt gegeben (derStandard.at berichtete). Nun ist jener Fall eingetreten, den Anthropologen befürchtet haben: Die im abgelegenen Bundesstaat Acre aus dem Regenwald aufgetauchten Menschen dürften sich mit dem Grippevirus angesteckt haben, wie FUNAI bekannt gab. Es bestehe die Gefahr, dass die Personen, die eine Variante der Pano-Sprachen sprechen, die potenziell tödliche Krankheit an andere Mitglieder ihres Volkes weiter geben.

Die Angehörigen des bis dahin unkontaktierten Stammes waren zunächst am Oberlauf des Flusses Envira im brasilianisch-peruanischen Grenzgebiet in der Nähe von einigen Dörfern gesichtet worden. Kurz darauf nahmen sie Kontakt mit einem von FUNAI entsendeten Team aus Anthropologen, Medizinern und anderen Wissenschaftern auf und verbrachten die folgenden drei Wochen in ihrer Gesellschaft.

Von "Fremden" angegriffen

Die Forscher glauben, dass die Indigenen vor illegalen Holzfällern und Kokainschmugglern aus ihrer angestammten Heimat im peruanischen Dschungel geflohen sind. Jedenfalls berichteten die Stammesmitglieder, sie seien von "Fremden" angegriffen worden. Mit dem Grippevirus dürften sie sich beim nun erfolgten Kontakt mit der Außenwelt angesteckt haben, nehmen die brasilianischen Experten an. Influenza stellt für die isoliert lebenden Völker im Amazonasgebiet eine tödliche Gefahr dar, da diese über keinerlei Abwehrkräfte gegen den Keimen verfügen. In der Vergangenheit haben derartige Infektionen zum Tod Hunderter indigener Regenwaldbewohner geführt.

Medizinisches Personal des FUNAI-Teams behandelten die infizierten Stammesmitglieder und verabreichten ihnen Grippeimpfungen, aber kurz darauf verschwanden sie wieder im Regenwald - eine Entwicklung, die sich als fatal erweisen könnte. "Wir können nur hoffen, dass sie schnell genug auf die Behandlung reagieren, ehe sie die Infektion an andere Mitglieder ihres Volkes weiter geben und eine katastrophale Epidemie auslösen", meint Chris Fagan von der Upper Amazon Conservancy in Jackson, Wyoming.

Vermutlich Angehörige des Chitonahua-Volkes

Ein anderes Forscherteam in der Region hat mittlerweile Hinweise auf die Herkunft der Indigenen. Adam Bauer-Goulden, Präsident der Rainforest Rescue Coalition in Chicago, Illinois, glaubt, dass sie einem Stamm angehören, der zur größeren Volksgruppe der Chitonahua zählt. Ältere Luftaufnahmen von einem isolierten Chitonahua-Dorf mit 40 bis 100 Bewohnern stammen aus einer nicht weit vom nun erfolgten Kontakt liegenden Region am Fluss Xinane. Ähnlichkeiten beim Körper- und Haarschmuck (Bild links) lassen Bauer-Goulden vermuten, dass die kürzlich kontaktierten Indigenen genau aus diesem Dorf stammen. (red, derStandard.at, 23.07.2014)