Wenn Niki Fuchs ihren Addicted to Rock Store betritt, dann weiß sie nicht, ob sie gleich eine lässige Lederjacke oder ein Frühstück verkauft. In dem Concept-Store am Wiener Getreidemarkt gibt es nämlich sowohl eine vollausgestattete Bar mit Speisenangebot als auch ein Bekleidungsgeschäft. Ein Gläschen Prosecco zum Einkauf serviert zu bekommen ist man ja von diversen Boutiquen gewohnt – aber gleich ein ganzes Menü oder einen Cocktail?

In vielen Großstädten gibt es diese Bars, Restaurants und Bistros mit angeschlossenem Shop schon länger. Das Angenehme mit dem Nützlichen zu verbinden – da spricht eigentlich nichts dagegen. Vielleicht verringert diese Art des Einkaufens auch die Ausreden von leidgeplagten Ehemännern, die meist nur mäßig begeistert sind, wenn sie die Liebste zum Shoppen begleiten müssen. Nun können sie mit Essen und Getränken bei Laune gehalten werden und von der Bar aus Daumen hoch oder runter zeigen, wenn die Gattin das gefühlt zwanzigste Oberteil anprobiert.

Niki Fuchs verkauft im Wiener Addicted to Rock Store Drinks und Kleidung – Rockstar-Feeling inklusive.
Foto: Christian Benesch

Die Erklärung, wie Fuchs und ihre Geschäftspartner auf die Idee kamen, eine Bar und einen Bekleidungsladen in einer Location zu vereinen, klingt irgendwie plausibel. Nur weil es etwas bisher nicht gegeben hat, heißt es ja nicht, dass man es nicht erfinden kann. "Jeder von uns hat in diesem Store seine Träume verwirklicht. Der eine wollte immer eine Bar betreiben, der andere wollte was mit Mode und Design machen, ein weiterer hatte Lust auf ein Frühstückslokal, und ich habe immer davon geträumt, meine eigene Radiosendung zu machen. Alle Träume haben wir hier verwirklicht. Es gibt eine Bar mit riesiger Auswahl, Frühstücksangebote und warmes Essen, Kleidung und Schuhe sowie eine wöchentliche Live-Radio-Sendung, die von hier aus gesendet wird. Das alles spiegelt unser Motto ,Live like a Rockstar? wider – wir leben alle unseren Traum", erzählt Fuchs stolz.

Den richtigen Riecher

Den Traum zu leben ist eine Sache, ein Geschäft und eine Bar profitabel zu betreiben eine andere. Schließlich gibt es keine Vergleichswerte, und niemand wusste, ob Gäste, die eine Lederjacke kaufen, auch gleich zum Mittagessen bleiben. Doch das Konzept scheint aufgegangen zu sein – Fuchs erzählt, dass es wirtschaftlich gut läuft und es bereits Anfragen von einigen Franchisenehmern gibt, die das Konzept auch in anderen Städten umsetzen möchten.

Scheinbar schlägt die Idee Wellen, auch in Österreich. Immer mehr Kreative finden Gefallen daran, einen Shop mit angeschlossenem Gastrobereich zu eröffnen – die meisten von ihnen sind Gastro-Quereinsteiger. Anthony Chira, der seit Jahren ein Fahrradgeschäft in Wien-Fünfhaus betreibt, ist einer von ihnen. Im ehemaligen Gloriette-Kino eröffnet er demnächst auf mehr als 300 Quadratmetern ein Fahrradbistro. Neben dem klassischen Fahrradservice und -verkauf soll es ein Lokal mit bescheidenem Speisenangebot geben. Bei der Auswahl der Gerichte verlässt sich Chira auf Koch Felipe Galupo, der bereits in den Restaurants Zweitbester und Motto am Fluss gearbeitet hat. "Hier in der Gegend gibt es keine hippe Location. Ich finde, dass es Zeit wird, dass hier was passiert", sagt Chira und ist überzeugt, dass das Konzept mit seinem Fahrradbistro Velobis trotz stark befahrener Kreuzung aufgeht.

Harley-Davidsons & Steaks

Ähnlich ambitioniert ist Erich Windisch, der dieser Tage ein Restaurant nach amerikanischem Vorbild mit angeschlossenem Harley-Davidson-Geschäft in Strasshof am Rand von Wien eröffnet. Auch er hatte mit Gastronomie ursprünglich nichts am Hut und will mit seinem Zündwerk Motorradbegeisterte und Freunde der amerikanischen Küche ansprechen. Bei der Speisenauswahl legt er ebenso großen Wert auf Regionalität wie bei der Wahl des Innenarchitekten. Die auf Gastronomiebetriebe spezialisierte Wiener Agentur Derenko hat auch das Interior Design des Addicted to Rock Store geplant. Doch nicht nur diese Gemeinsamkeit teilen sich die Betreiber.

Burger und Steaks im Restaurant Zündwerk.
Foto: Derenko

Behördlich gibt es nämlich einige Dinge zu beachten, wenn man Gastronomie und Handel unter einem Dach vereint. Das Geschäft muss gemäß den vorgeschriebenen Öffnungszeiten geschlossen werden, während das Lokal länger offen bleiben darf. Die einen lösen das mit einem Metallgitter, die anderen mit einem Absperrband.

Bürokratie

Aber nicht nur die Öffnungszeiten sind ein Thema. "Offiziell sind wir ein Café mit Merchandise-Artikeln. Man benötigt unterschiedliche Kollektivverträge – einen für den Handel und einen für die Gastronomie. Der Kellner darf beispielsweise keine Kleidung verkaufen. Es müssen immer zwei Angestellte mit unterschiedlichen Kollektivverträgen im Laden sein", erzählt Fuchs.

Mode und Berlin-Flair in der Radio-Bar.
Foto: Radio – The Label-Bar

Gleich drei unterschiedliche Gewerbe hat indessen Barbara Tampiér in ihrer Bar in Wien-Neubau angemeldet. Neben Getränken und Berliner Designerklamotten bietet Tampiér auch Platten aus dem eigenen Label an. Beim Betreten der Radio – The Label Bar fühlt man sich wie in einem Café im Szenebezirk Prenzlauer Berg in Berlin. "Ich kann alles unter einem Dach vereinen und das machen, was mir am meisten Spaß macht. Die Leute können shoppen, was trinken und über Musik quatschen", fasst die Wienerin, die selbst einige Zeit in Berlin gelebt hat, ihr Konzept zusammen.

Nicht im Berlin-Style, dafür umso edler präsentiert sich die Bastei 10 von Marco Simonis in der Wiener Innenstadt. Mit Stil wurde hier ein Wohlfühlort geschaffen. Neben Speisen aus regionalen Produkten kann man sich auch ein Wohnaccessoire oder ein Designobjekt mit nach Hause nehmen. "Mit der Bastei 10 habe ich mir einen Traum erfüllt: ein Platz zum Glücklichsein, zum Wohlfühlen, zum Ankommen und Verweilen", sagt Simonis. So unterschiedlich alle Konzepte sind, so viel haben sie gemeinsam – kreative und ambitionierte Unternehmer verwirklichen ihren Traum und lassen ihre Gäste daran teilhaben. (Alex Stranig, Rondo, 7.10.2015)

Essen und Design in der Bastei 10 von Marco Simonis.
Foto: Simonis Bastei 10