Der Gefechtsturm im Arenbergpark, Eigentum der BIG, soll als Mak-Depot auch innen in solidem Zustand sein,

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Im Augarten (Bild von 2003) dürfte hingegen nicht nur das Dach eine Sanierung benötigen.

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Sie treten paarweise auf, und sie erinnern an düstere Zeiten: die sechs Wiener Flaktürme. Von 1942 bis 1945 erbauten die Nationalsozialisten die gigantischen Hochbunker, an drei Standorten in Wien jeweils einen Gefechts- und einen Leitturm. Die Anlagen sollten der Bevölkerung Schutz suggerieren und oben aufgestellte Geschütze die Abwehr von Flugangriffen ermöglichen.

Und 2017? Die Struktur der Eigentümer und Nutzungen ist ähnlich zerklüftet wie das heutige Innenleben manches Flakturms. Der Gefechtsturm auf dem Areal der Stiftskaserne im siebenten Wiener Gemeindebezirk gehört der Republik und wird vom Bundesheer genutzt. Er ist im Falle einer verheerenden Krise auch als Rückzugsraum für die österreichische Staatsspitze vorgesehen. Der nahe Leitturm im sechsten Bezirk ist heute hingegen als Haus des Meeres bekannt, 2015 hat die Stadt Wien ihn an die Betriebsgesellschaft des Wasserzoos für einen symbolischen Euro verkauft.

Kein Datenceter im Arenbergpark

Die zwei Türme im Augarten gehören der Republik und werden von der Burghauptmannschaft verwaltet, einer Behörde im Wissenschaftsministerium. Mieter von beiden ist die Firma DCV, ein lange geplantes Datencenter wurde aber bis heute nicht realisiert. Die zwei Stahlbetonkolosse im Arenbergpark in Wien-Landstraße haben verschiedene Eigentümer: Der Gefechtsturm, größter der sechs Flaktürme, gehört der Bundesimmobiliengesellschaft (BIG). Das Mak hat dort seit 2007 ein Kunstdepot, Zeitungen titelten "Flakturm wird Mak-Turm". Der Leitturm im Arenbergpark gehört der Stadt und wird von der MA 34 verwaltet, im Erdgeschoß hat das Stadtgartenamt ein Lager.

Bis vor etwa einem Jahr verfolgte der IT-Unternehmer Johann Ehm noch den Plan, im Leitturm im Arenbergpark ein Datenzentrum zu errichten. "Wir hätten Sanierungsarbeiten übernommen, speziell die Wasserentsorgung vom Dach. Auch die Fassade der Plattform, die Stiegenhäuser und die Eingangstore hätten wir saniert", sagt Ehm im STANDARD-Gespräch. Hinter den zwei bis 2,5 Meter dicken Mauern des Turms wollte Ehm Server und anderes Equipment unterbringen, auch Klimaanlagen in mehreren Geschoßen und – für die Stromversorgung – Dieselaggregate auf dem Dach. Ehm findet, ein Datencenter wäre eine adäquate Nutzung für einen Flakturm: Weder Fenster noch Aufbauten seien nötig.

Mahnmale für Zwangsarbeit

Grundsätzlich anders sieht das die Wiener Architekturhistorikerin Ute Bauer-Wassmann und betont die dunkle Baugeschichte. "Die Flaktürme sind Mahnmale für Zwangsarbeit und nicht einfach Immobilien, die man ohne weiteres verwerten sollte." Vom Erdgeschoß bis zum neunten Stock sei der Leitturm im Arenbergpark voller Graffiti von geschundenen Arbeitern.

Ehm wiederum erzählt, er habe mehrere Termine mit dem Bundesdenkmalamt absolviert: "Die Graffiti wurden von uns gemeinsam mit dem Bundesdenkmalamt bewertet, wir hätten die erhaltenswerten entweder konserviert oder hinter Glas geschützt." Ehm spricht im Konjunktiv, das liegt daran, dass seine damalige Firma Danube IT Services selbst zum Sanierungsfall und mittlerweile Teil des belgischen Unternehmens Cegeka geworden ist.

Schwieriges Erbe

Die Idee eines Datencenters im Arenbergpark hat sich somit erledigt, die Diskussion könnte aber eine Blaupause für künftige Debatten sein, denn die Flaktürme polarisieren. Rein technisch, glaubt Bauer-Wassmann, wäre in früheren Jahrzehnten auch ein Abriss möglich gewesen. "Ein bisschen hat bestimmt auch der Wille gefehlt." Heute gilt ein Abriss wegen der Kosten und des Denkmalschutzes als politisch ausgeschlossen. Seit einigen Jahren stehen alle Türme bis auf das Haus des Meeres unter Denkmalschutz. "Flaktürme sind ein schwieriges Erbe und zugleich historische, dreidimensionale Quellen, die bedeutsam und erhaltenswert sind", sagt Paul Mahringer, Leiter der Inventarisation und Denkmalforschung im Bundesdenkmalamt.

Bauer-Wassmann, die mit ihrem Interdisziplinären Forschungszentrum für Architektur und Geschichte die Wiener Flaktürme erforscht hat, empfindet die Erinnerungskultur für NS-Zwangsarbeiter in Wien als ungenügend. Dies mache die Türme zu besonders schützenswerten Denkmalen. Das Haus des Meeres inklusive Kletterwand und Café findet sie "nicht gerade pietätvoll". Sie sei bei jedem der Flaktürme gegen eine kommerzielle Nutzung, weil diese "Produkte von Zwangsarbeit" seien.

"Wien pflegt keinen adäquaten Umgang"

Nicht so kompromisslos sieht die Frage der Nutzung der Historiker Bertrand Perz. "Ich finde nicht, dass alle sechs Türme möglichst im Originalzustand des Jahres 1945 erhalten werden müssen und nicht verändert werden dürfen", sagt Perz, Professor am Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien. Aber auch er sagt: "Wir haben in Wien keinen Umgang mit den Flaktürmen, der ihre historische Dimension adäquat wiedergibt."

Ob einer der wenig bis nicht genutzten Flaktürme im Sinne einer lebendigen Erinnerungskultur saniert und zugänglich gemacht wird, hängt vom Willen der (Stadt-)Politik ab. Derweil versuchen die Verwalter mit dem auch bautechnisch schwierigen Erbe irgendwie umzugehen. Burghauptmann Reinhold Sahl sagt zum STANDARD, man habe durch den Mieter DCV eine "stabile Situation". "Wir haben vermietet, die Verantwortung für die Reparaturen und die Deckung von deren Kosten liegen beim Mieter."

Auch bei der BIG ist man froh, mit dem Mak einen Nutzer gefunden zu haben. Auf Anfrage sagt BIG-Sprecher Ernst Eichinger, dass die Mieteinnahmen dennoch unter den jährlichen Kosten für Reparaturen, etwa Abplatzungen des Betons, lägen. "Der Flakturm und die Luftschutzstollen sind im Portfolio der BIG ein Bereich, bei dem es nicht darum geht, Geld zu verdienen. Es geht darum, möglichst wenig zu investieren und zugleich die Sicherheit zu gewährleisten."

Wiener Initiative gefordert

Historiker Perz fragt sich, "warum einer der Flaktürme nicht zugänglich gemacht wird", und sieht vor allem die Stadt Wien gefordert. Außerdem vermisse er ein Gesamtkonzept für die vier Türme in Augarten und Arenbergpark. Ute Bauer-Wassmann würde sich wünschen, dass der Leitturm im Arenbergpark mit seinen gut erhalten Graffiti zu einem "begehbaren Mahnmal", flankiert von "würdigen Gedenktafeln", wird.

Dass dies in absehbarer Zeit geschehen wird, ist nicht anzunehmen. Die MA 34, zuständig für das Gebäudemanagement der Stadt Wien, teilt dem Standard schriftlich mit, dass Führungen durch das mehr als 70 Jahre alte Gebäude aus Sicherheits- und Haftungsgründen nicht möglich seien. Auf die Frage, ob es Pläne gibt, den Leitturm in den nächsten Jahren umfassend zu sanieren, heißt es: "Aktuell aufgrund der sehr hohen zu erwartenden Kosten nicht." (Lukas Kapeller, 14.1.2017)