Donald Trump stellte die Legitimität des Bundesrichters in Seattle offen infrage.

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Wie hier in London fanden am Samstag in mehreren US-amerikanischen und europäischen Großstädten Demonstrationen gegen den US-Präsidenten und sein Einreiseverbot für viele Muslime statt.

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Washington – Nach zwei juristischen Niederlagen bei dem Versuch, Bürger aus sieben muslimisch geprägten Ländern die Einreise zu verbieten, hat US-Präsident Donald Trump intensive Personenkontrollen angeordnet. Er habe das Ministerium für Heimatschutz angewiesen, Einreisende sehr sorgfältig zu überprüfen, teilte Trump am Sonntag per Twitter mit. Die Gerichte machten dies sehr schwierig. Zudem wiederholte er seine Vorwürfe gegen die Justiz. Er könne nicht glauben, dass ein Richter das Land in solch eine Gefahr bringe. Wenn etwas passiere, sollten er und das Justizsystem verantwortlich gemacht werden.

Schlappe

Es war bereits tiefe Nacht im Mar-a-Lago, dem Nobelclub in Palm Beach, in dem Donald Trump das Wochenende verbrachte, als ein kalifornisches Berufungsgericht dem Präsidenten eine schwere Schlappe zufügte: Im Eilverfahren lehnte der Court of Appeals in San Francisco einen Antrag des US-Justizministeriums ab, wonach ein zuvor im Bundesstaat Washington gefälltes Urteil gegen die Einreisesperre kassiert werden sollte.

In der Nacht zum Samstag hatte James Robart, ein Bundesrichter in Seattle, den Bann mit einer einstweiligen Verfügung gestoppt. Trumps Juristen hatten daraufhin die für die gesamte Westküste zuständige Instanz angerufen – und zogen ein zweites Mal den Kürzeren.

Drakonisches Dekret ungültig

Damit gilt vorläufig nicht mehr, was das Weiße Haus mit einem drakonischen Dekret verfügte. Ein für drei Monate angesetztes Einreiseverbot für Bürger aus sieben Staaten mit muslimischer Bevölkerungsmehrheit ist ausgehebelt. Iraner, Iraker, Jemeniten, Libyer, Somalier, Sudanesen und Syrer dürfen die Grenzkontrollen an den Flughäfen wieder passieren, sofern sie im Besitz eines Visums sind. Auch der viermonatige Aufnahmestopp für Flüchtlinge, egal welcher Nationalität, ist vorerst hinfällig.

Nach Angaben des Außenministeriums sind es etwa 60.000 zwischenzeitlich für ungültig erklärte Visa, die nun doch wieder zur Einreise berechtigen. Unklar ist allerdings, was mit Leuten geschieht, deren Visum im Pass bereits ungültig gestempelt wurde: Womöglich müssen sie ein neues beantragen, ehe sie die USA ansteuern können.

Trump reagierte auf die Niederlage, wie er immer reagiert, wenn etwas nicht nach seinem Willen geht. Die Entscheidung dieses "sogenannten Richters" sei lächerlich und müsse gekippt werden, twitterte er wenige Stunden nach Robarts Verdikt. Später, zurückgekehrt von einer Golfpartie, legte er nach: Wohin man denn komme, empörte er sich, wenn ein Richter einen Einreisebann des Ministeriums für Heimatschutz einfach blockieren könne und jeder, "auch mit bösen Absichten", ins Land gelassen werde. Kurz darauf folgte der nächste, noch wütendere Tweet: Der Richter mache potenziellen Terroristen den Weg frei. "Böse Leute sind sehr zufrieden!"

Die Schimpfkanonade erinnert an eine Episode, die mitten im Wahlkampf schon einmal am rechtsstaatlichen Verständnis des Milliardärs zweifeln ließ. Damals nahm er Gonzalo Curiel aufs Korn, einen Bundesrichter, der über Klagen früherer Seminarteilnehmer der "Trump University" zu befinden hatte. Letztere warfen dem Tycoon vor, sie mit irreführenden Reklamesprüchen hinters Licht geführt zu haben.

Feindbild Richter

Statt von der Erfahrung eines Immobilienprofis zu profitieren, wie man ihnen versprochen hatte, seien die Kurse praktisch wertlos gewesen. Curiel, wetterte der damalige Bewerber fürs Oval Office, sei ein Mexikaner, der ihn unfair behandle, weil er, Trump, an der Grenze zu Mexiko eine Mauer bauen wolle. Dass der Jurist in Wahrheit im mittelwestlichen Indiana geboren wurde, erwähnte er wochenlang mit keiner Silbe.

Die Attacken gegen Robart, sagt nun Chuck Schumer, der ranghöchste Demokrat im US-Senat, ließen erkennen, wie gründlich Trump eine unabhängige Justiz verachte, die sich nicht jedes Mal seinen Wünschen beuge. Patrick Leahy, ein Veteran aus Vermont, der im Justizausschuss der klei neren Parlamentskammer sitzt, spricht von einem Präsidenten, der es darauf anlege, eine Verfassungskrise vom Zaun zu brechen. Trumps Feindseligkeit gegenüber der "Rule of Law" sei nicht nur peinlich, sie sei auch gefährlich.

Weiteres Vorgehen

Dass Trump sein Scheitern akzeptiert und es dabei bewenden lässt, erwartet indes niemand. Wie es im Moment aussieht, werden seine Rechtsberater wohl den Weg bis zum Obersten Gerichtshof in Washington gehen, um die Einreisesperre durchzusetzen. Ob dies bereits in den nächsten Tagen geschieht oder erst in ein paar Wochen, bleibt vorläufig offen, kann aber den entscheidenden Unterschied bedeuten.

Noch herrscht am Supreme Court ein Patt zwischen vier liberalen und vier konservativen, von republikanischen Präsidenten berufenen Richtern. Ist Neil Gorsuch erst vom Senat abgesegnet – jener Jurist, den Trump nominierte, um dem vor zwölf Monaten verstorbenen Antonin Scalia nachzufolgen –, ändert sich die delikate Balance zugunsten der Konservativen. Allerdings haben die Demokraten harten Widerstand gegen Gorsuch angekündigt, sodass sich das fällige Bestätigungsverfahren über Wochen hinziehen kann. In einem Satz: Der Teufel steckt womöglich im Detail einer einzigen Personalie. (Frank Herrmann aus Washington, 5.2.2017)