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Demonstranten vor dem US-Höchstgericht in Washington Anfang der Woche.

Foto: AP Photo/Alex Brandon

"Niemand – auch nicht der Präsident – steht über dem Gesetz " – dieses Statement des Gouverneurs von Washington, Jay Inslee, in Reaktion auf die (einstweilige) Aufhebung des Einreisestopps für Menschen aus sieben muslimischen Ländern mag in seiner Selbstverständlichkeit schon fast banal wirken. Und doch ist es erschütternd, dass eben diese Selbstverständlichkeit extra Erwähnung und Betonung finden muss. Denn bisher haben Donald Trump und sein von Strategieberater Steve Bannon angeführtes Team kaum erkennen lassen, besonderen Wert auf die Achtung von Gesetz und Verfassung zu legen.

Im Gegenteil: In zahlreichen Präsidialerlässen, Interviews und Tweets macht die Trump-Administration deutlich, dass sie gewillt ist, politische und juristische Grenzen auszuloten, zu belasten, auszudehnen – und vielleicht auch zu brechen. Und wenn es nicht immer mit konventionellen Mitteln geht, dann eben auch mit unkonventionellen, etwa durch die Erfindung "alternativer Fakten". Das führte schon so weit, dass das Weiße Haus ein Massaker regelrecht erfand, um den Erlass zum Einreisestopp zu rechtfertigen.

Mutiges Urteil

Am Samstag gab im US-Bundesstaat Washington Bundesrichter James Robart in einem aufsehenerregenden Urteil der Klage von Generalbundesanwalt Bob Ferguson recht und setzte den Präsidialerlass aus. Ein mutiges Urteil, denn Robart wusste zweifellos, worauf er sich damit einließ: Auf einen Proteststurm aus dem Weißen Haus, auf persönliche Beleidigungen des Präsidenten selbst via Twitter, womöglich auch auf Hindernisse in der künftigen eigenen Berufskarriere.

Und doch handelte Robart richtig: nicht nur seiner persönlichen Überzeugung nach, sondern auch nach dem Buchstaben des Gesetzes, das die Diskriminierung von Menschen aufgrund ihrer Herkunft oder Religion verbietet; und das nur über Fakten, nicht aber über Hypothesen zu befinden hat. Und die Gefährdung von US-Bürgern durch solche aus den betroffenen muslimischen Ländern ist nichts anderes als das: eine Hypothese, die durch nichts zu beweisen ist.

Dass die Berufung des Weißen Hauses nicht lange auf sich warten ließ, war klar. Dass diese allerdings vom Berufungsgericht am Sonntag abgewiesen wurde – noch dazu nach nur wenigen Stunden –, das ist eine kleine Sensation. Und ein weiterer Beweis dafür, dass die Justiz in den USA, so wie hoffentlich in jedem demokratischen Staat, tatsächlich unabhängig ist.

Auch Präsidenten müssen verlieren können

Dieses neuerliche Urteil ist nicht nur ein Sieg für den Rechtsstaat, es bedeutet letztlich auch, dass sogar Präsidenten Niederlagen akzeptieren müssen. Denn auch sie – ganz besonders sie – sind nicht das Gesetz, und sie stehen nicht einmal über dem Gesetz. Traurig, so etwas überhaupt betonen zu müssen.

Auch Präsident Donald Trump muss das akzeptieren. Doch er wird – so gut kennt man ihn mittlerweile – den Rechtsstreit um den Einwanderungsstopp ausschließlich als persönliche Niederlage und Versuch seiner ultimativen Demütigung verstehen. Die US-Justiz wird mit Sicherheit auch weiterhin gefordert sein – wir können schon gespannt sein auf den nächsten Versuch des Präsidenten, sich die Welt so zurechtzubiegen, wie er sie gerne hätte. (Gianluca Wallisch, 5.2.2017)