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Santander hat mit einer Blitzaktion größeren Schaden abgewendet. Doch mit dem Kauf der Banco Popular sind die Turbulenzen an Spaniens Finanzmarkt noch lange nicht verzogen.

Foto: Reuters / Juan Medina

Es wird weitergezockt. Just fünf Jahre, nachdem Europa Spaniens Finanzsektor mit 100 Milliarden Euro an in Aussicht gestellten Notkrediten vor der sicheren Katastrophe bewahrt hat. Anlass war die drohende Bankia-Pleite. Nun ist es eine brisante Melange an Risikofaktoren, die Investoren vermehrt auf Kursstürze ("Short-Selling") von am Madrider Leitindex IBEX-35 notierten Unternehmen spekulieren lässt.

Einerseits sind die Wunden am Finanzplatz nicht vernarbt. Andererseits ist es der in Korruptionsskandale en suite verstrickte, aus der Minderheit regierende Partido Popular (PP) unter Premier Mariano Rajoy, der am Mittwoch knapp ein Misstrauensvotum überstand. Im Juli muss Rajoy als Zeuge im Schwarzgeldskandal "Gürtel" vor Gericht aussagen. Brüssel kritisiert inzwischen immer vehementer die Zahnlosigkeit Madrids im Kampf gegen das endemische Übel.

Vertrauen in Finanzsektor wankt

Und nicht zuletzt ist es der Sezessionsdrang der wirtschaftsstarken Region Katalonien, die am 1. Oktober über ihre Unabhängigkeit abstimmen will. "Ein Referendum hätte katastrophale Folgen für die Wirtschaft, wie der Brexit", warnte Rajoy unlängst bei einer Tagung in Sitges.

Das Vertrauen in den Finanzsektor ist neuerlich erschüttert. Dem europäischen Frühwarnsystem für Banken ist es zu verdanken, dass die seit der Immobilienkrise 2007 taumelnde Banco Popular in der Vorwoche um einen symbolischen Euro von der Banco Santander geschluckt wurde und bisher keine weiteren Staatsgelder flossen. Die Großbank braucht eine sieben Milliarden Euro schwere Kapitalerhöhung. Ein Kahlschlag bei der Belegschaft der Banco Popular von 3000 Mitarbeitern soll anstehen. Die Banco Santander hält dadurch etwa 40 Prozent der toxischen Immobilienaktiva (27,7 Mrd. Euro von 70 Mrd. Euro) – mehr als die staatliche "Bad Bank" Sareb.

Absturz der Krisenbank

Bei der Banco Popular waren es übrigens auch Short-Selling-Spekulanten, wie Hedge-Fonds, die massiv auf den absehbaren Absturz der Krisenbank setzten und sich dabei verzockten. Gemeinsam mit rund 300.000 Aktionären, darunter viele Kleinanleger, verloren sie mit einem Schlag ihre Investition. Nun rollt jedoch eine milliardenschwere Lawine an Klagen an. Vier renommierte US-Anwaltskanzleien bereiten solche vor. Sammelklagen strebt auch der Konsumentenschutzverband OCU an. Denn selbst der geschasste Ex-Banco-Popular-Direktor Emilio Saracho rät Anlegern zu jenem Schritt, "zu dem sie absolut berechtigt" wären.

Aktionärsanwälte argumentieren, "dass man sie durch gefälschte Berichte gezielt getäuscht" habe. Konkret geht es um die letzte Kapitalerhöhung der Banco Popular um 2,5 Mrd. Euro und ein Finanzierungsloch von knapp 600 Mio. Euro, das erst nach einer Buchprüfung Ende des Vorjahres zutage kam. Und die 2016er-Verluste zu diesem Zeitpunkt auf über knapp drei Milliarden Euro anwachsen ließ.

Gelder abgezogen

Zugleich erhärten sich Gerüchte über Insiderinfos, konkret Kapitalflucht von Gemeinde- und Regionalverwaltungskonten, aber auch vermögenden Kunden. Allein die Kanaren-Region hob 643 Mio. Euro ab. Das Infrastrukturministerium prüft, warum auch staatliche Unternehmen ihre Konten bei der Banco Popular just Tage vor deren Ende leerten.

Währenddessen steigen Spaniens Staatsschulden weiter. Mit einem Zuwachs von knapp 22 Mrd. Euro im Erstquartal 2017 erreichten sie einen historischen Höchststand von 100,4 Prozent des BIP. Der Aufwärtstrend bei Beschäftigungszahlen ebbt ab, warnt die Banco de España. Selbst wenn Spaniens Wirtschaft heuer mit 3,1 Prozent wachsen soll. (Jan Marot aus Granada, 16.6.2017)