Im Mai 2017 gab es in Wien erstmals mehr Mindestsicherungsbezieher mit nichtösterreichischer Staatsbürgerschaft als österreichische Empfänger.

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Wien – Im Mai 2017 gab es in Wien erstmals mehr Mindestsicherungsbezieher mit nichtösterreichischer Staatsbürgerschaft als österreichische Empfänger. Das geht aus aktuellen Zahlen aus dem Büro von Sozialstadträtin Sandra Frauenberger (SPÖ) hervor, die dem STANDARD vorliegen.

Demnach haben im Mai 2017 insgesamt 150.280 Personen Leistungen aus der bedarfsorientierten Mindestsicherung (BMS) bezogen, davon 75.080 österreichische Staatsbürger. 75.200 Bezieher hatten keinen österreichischen Pass. Der Großteil davon waren anerkannte Asylwerber und subsidiär Schutzberechtigte (insgesamt 42.772), dazu kamen Bezieher mit einer anderen EU-Staatsbürgerschaft (11.591) sowie Drittstaatsangehörige (20.837).

Entwicklung zeichnete sich ab

Diese Entwicklung zeichnete sich zuletzt schon ab: So ging zuletzt die Zahl österreichischer Bezieher in den vergangenen Monaten im Vorjahresvergleich sogar leicht zurück, was mit der Entspannung am Arbeitsmarkt zusammenhängen dürfte. Die Zahl von anerkannten Asylwerbern und subsidiär Schutzberechtigten, die Mindestsicherung beziehen, ist hingegen stark gestiegen: So waren im Mai 2016 nach Auskunft aus dem Büro Frauenberger 34.077 Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte BMS-Bezieher. Ein Jahr später, im Mai 2017, waren es 9.000 mehr.

Ein Hauptgrund für diese Entwicklung ist, dass immer mehr BMS-Bezieher vor allem wegen Kürzungen in anderen Bundesländern wie Oberösterreich, Niederösterreich und dem Burgenland nach Wien ziehen. Hauptbetroffen von Kürzungen in diesen Ländern sind vor allem Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte. 7.200 Asylberechtigte sind mit Stand März 2017 allein in den zwölf Monaten davor aus den anderen Bundesländern nach Wien gekommen. Wien gab im Vorjahr 664 Millionen Euro für die Mindestsicherung aus – und trug damit fast zwei Drittel der österreichweiten Gesamtausgaben für diese Sozialhilfe (siehe STANDARD-Grafik). Diese machten im Vorjahr erstmals mehr als eine Milliarde Euro aus.

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RH will einheitliche Regelung

Der Bundesrechnungshof (RH), der am Freitag einen Bericht zur Mindestsicherung in Wien veröffentlicht hat, spricht sich für eine bundesweit einheitliche Regelung der Mindestsicherung aus. Er empfiehlt dem Sozialministerium, einen entsprechenden Bericht vorzulegen.

Der RH prüfte die Mindestsicherung in Wien im Zeitraum 2010 bis 2015. Die kürzlich präsentierte Wiener Reform, die praktisch ohne Kürzungen auskam, ist nicht im Bericht erfasst. Der RH wies darauf hin, dass im Untersuchungszeitraum zwischen 2010 und 2015 die Zahl der BMS-Bezieher um 71 Prozent auf 138.592 Personen stieg. Die Ausgaben der Stadt stiegen von 2011 auf 2015 um 50 Prozent von 363,79 Millionen Euro auf 543,72 Millionen.

Der RH wies auf den starken Anstieg von Beziehern im arbeitsfähigen Alter hin. Besonders auffällig war auch der mehr als 2,5-fache Anstieg der nichtösterreichischen Bezieher und der Anstieg der Anzahl mindestsicherungsbeziehender Asyl- und subsidiär Schutzberechtigter auf mehr als das Dreifache.

Wenige Kontrollen

Kritisiert wurde vom RH, dass die zuständige MA 40 die Aktenkontrollen zu weniger als zwei Drittel erfüllte. Zudem sei bei der Kontrolle weder das Vier-Augen-Prinzip eingehalten noch Mängel erfasst und kategorisiert worden. Kritisiert wurde auch, dass die infolge einer AMS-Sperre neu bemessene Mindestsicherung die AMS-Bezüge gänzlich oder teilweise kompensierte.

Problem der Finanzierbarkeit

Als problematisch erachtete der RH die mittel- bis langfristige Finanzierbarkeit der Mindestsicherung "angesichts der Finanzlage der Stadt Wien und der im Zeitraum 2011 bis 2015 feststellbaren Neuverschuldung von 2,352 Milliarden Euro". So würden Schätzungen von Mindestsicherungsausgaben in Wien von bis zu 1,6 Milliarden Euro für 2021 ausgehen.

Laut Stadt Wien müssten diese Schätzungen aber wieder zurückgenommen werden, "da die Flüchtlingszahlen rückläufig seien". Laut RH müsse die Stadt "Reform- und Einsparungsmaßnahmen" einleiten. Einsparungen wurden bislang nicht gesetzt. Laut Stadt Wien werde man nicht bei den Schwächsten kürzen.

Neuer Anlauf gefordert

Für einen neuen Anlauf zu einer bundeseinheitlichen Regelung sprachen sich am Freitag zahlreiche rote und schwarze Ländervertreter aus. Von Kürzungen, wie sie Oberösterreich getroffen hat, will Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) aber "nicht abrücken". Asylberechtigte in Oberösterreich erhalten statt monatlich 914 Euro maximal 520 Euro, zudem kommt eine Deckelung von 1512 Euro pro Haushalt. Niederösterreichs Landesrätin Barbara Schwarz (ÖVP) sagte, dass es eine Deckelung geben müsse.

Sozialminister Alois Stöger (SPÖ) hielt angesichts dieser Stellungnahmen eine bundeseinheitliche Regelung für "eher unrealistisch". Die Regelung in Niederösterreich, dass subsidiär Schutzberechtigte nicht mehr Anspruch auf Leistungen aus der Mindestsicherung, sondern auf Kernleistungen nach dem Grundversorgungsgesetz haben, ist laut Verfassungsgerichtshof (VfGH) verfassungskonform. (David Krutzler, 7.7.2017)