Hamburg – Nach dem von Gewaltausbrüchen überschatteten G20-Gipfel hat Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) Kritik an den Vorbereitungen der Sicherheitsbehörden zurückgewiesen. Es habe sich um eine "neue Form der Gewalt" und "geradezu militärisch operierende Gewalttäter" gehandelt, sagte Scholz am Mittwoch. CDU-Fraktionschef Andre Trepoll forderte ihn erneut zum Rücktritt auf.

Die Geschehnisse hätten "wohl auch mit vielen zusätzlichen Polizeibeamten leider nicht verhindert werden können", sagte Scholz. Die Behörden in Land und Bund hätten sich "umfassend und sorgfältig vorbereitet", die Polizei habe "hervorragende Arbeit geleistet". Dennoch hätten Täter am Freitag nicht überall in der Stadt "sofort und nachhaltig" gestoppt werden können. Er bitte deshalb "alle Hamburgerinnen und Hamburger um Entschuldigung".

Der Regierungschef verwies dabei auf die "strategische Militanz" der nach seinen Worten aus ganz Europa nach Hamburg angereisten Gewalttäter, die teilweise "in Guerillataktik" und mit extremer Brutalität vorgegangen seien. Sie hätten "bei entsprechenden Hinterhalten schwere Verletzungen und sogar Tote nicht nur in Kauf genommen, sondern offenbar gewollt", sagte Scholz weiter.

Während des Gipfeltreffens der Staats- und Regierungschefs der 20 großen Industrie- und Schwellenländer hatte es von Donnerstag bis Samstag trotz des Einsatzes von rund 20.000 Polizisten immer wieder schwere Ausschreitungen mutmaßlicher Linksextremisten gegeben. 476 Polizisten wurden verletzt, es gab mehr als 400 Fest- und Ingewahrsamnahmen. Randalierer zündeten zahlreiche Autos an, beschädigten Geschäfte und attackierten immer wieder Beamte.

Insbesondere am ersten Gipfeltag am Freitag herrschte eine angespannte Lage. Gegen Abend versammelten sich rund 1.500 Autonome und viele weitere Menschen stundenlang im Schanzenviertel, brennende Barrikaden wurden errichtet, Polizisten beworfen und Geschäfte geplündert.

Trepoll warf Scholz und seinem Senat Versagen vor. Scholz habe das Gewaltpotenzial vor dem Gipfel verharmlost und während der Krise nicht entschlossen gehandelt, sagte der Oppositionsführer in der Bürgerschaft. Der Bürgermeister müsse daraus persönlich Konsequenzen ziehen: "Herr Scholz, treten Sie zurück."

Die Ausschreitungen lösten eine deutschlandweite Diskussion um den Umgang mit linksextremistischer Gewalt aus. Scholz forderte nun ein hartes Durchgreifen gegen die Täter aus der Szene und forderte alle demokratischen Parteien auf, "eine kerzengerade Abgrenzungslinie zu Gewalt" zu ziehen.

Auch diejenigen, die derartige Taten verharmlosten oder sogar als politische Handlungen rechtfertigten, trügen Mitverantwortung, sagte Scholz. Das gelte auch für das Hamburger Autonomenzentrum. Solche taktische Spielchen müssten nun endgültig vorbei sein.

Trepoll forderte die Schließung der Roten Flora. Diese sei ein Rückzugsraum für Gewalttäter gewesen und habe Militante aus diversen Ländern nach Hamburg eingeladen. Der rot-grüne Senat habe das Problem der linksextremistischen Strukturen viel zu lange ignoriert. "Die Rote Flora gehört dichtgemacht", sagte Trepoll.

Bei der finanziellen Entschädigung der Krawallopfer einigten sich Hamburg und die Bundesregierung unterdessen auf Details. Nach Angaben von Scholz richtete die Hansestadt einen Härtefallfonds ein, bei dem Betroffene Ansprüche geltend machen können. Wie das deutsche Bundesfinanzministerium mitteilte, übernimmt der Bund die Hälfte der Entschädigungskosten. (APA, 12.7.2017)