Die chinesische Mittelschicht wächst – und viele, die es sich leisten können, kaufen im Ausland Wohnungen.

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Der 21. und der 22. Wiener Gemeindebezirk sind begehrt – auch bei Immobilienkäufern aus China, die hier in den letzten zwei Jahren immer öfter zuschlagen. "Wobei asiatische Käufer in der Regel gar nicht sagen, in welchem Bezirk sie nach einer Wohnung suchen, sondern sie nennen gleich ein konkretes Projekt", sagt David Breitwieser von EHL Immobilien. Besonders hoch im Kurs würden beispielsweise das "Citygate" im 21. und das "DC Living" im 22. Bezirk stehen. "Diese Käufe finden also recht konzentriert statt", sagt Breitwieser. Und vieles funktioniere über Mundpropaganda innerhalb der Community.

Auf die neue Käufergruppe hat sich die Haring Group schon eingestellt. Seit einigen Monaten kann die Homepage des Bauträgers mit einem Mausklick auf Mandarin umgestellt werden. Im vorigen Jahr seien Mitarbeiter nach Peking zu einer Immobilienmesse gereist, um Markt und Kunden besser kennenzulernen, erzählt Denise Smetana von der Haring Group. Mittlerweile arbeitet auch ein Immobilienmakler für das Unternehmen, der "die Sprache perfekt spricht und den Kunden die Hemmung nimmt", auch wenn die meisten Käufer ohnehin gut Deutsch sprechen würden. Zudem werden in chinesischen Zeitungen in Wien Inserate des Unternehmens geschaltet.

Wohnen am Wasser

Die Käufer seien meist Eigennutzer, berichtet Smetana. Gesucht würden kompakte Drei-Zimmer-Wohnungen mit Größen zwischen 50 und 65 m² und Preisen von rund 4000 Euro je Quadratmeter. Ganz wichtig: "Diese Kunden wollen keinen 40 m² großen Wohn-Essbereich", sagt Smetana: "Chinesen haben ganz andere Ansprüche." Die Küche werde in einem geschlossenen Raum bevorzugt, weil viel gekocht werde. Außerdem seien so viele Schlafzimmer wie möglich gefragt, auch Kabinette. Eine Badewanne sei dafür nicht unbedingt nötig.

Aus religiösen Gründen sei ein Blick auf einen Friedhof undenkbar, Wohnen am Wasser wiederum sehr begehrt, weil es mit Glück assoziiert werde, erzählt Smetana. Auch über Feng-Shui und die Bedeutung von Zahlen müsse ein Immobilienentwickler Bescheid wissen – nicht nur bei der Nummerierung der Wohnungen, sondern auch wenn es um die Preisgestaltung geht.

Neubau statt Altbau

Noch ein Spezifikum der Käufer aus dem Reich der Mitte: Sie wollen keinen Altbau. Für Chinesen muss es ein Neubau sein, sind sich Marktkenner einig. Mitunter werde dafür auch innerhalb der Familie zusammengelegt, berichtet Richard Buxbaum von Otto Immobilien – wohl auch um die strengen Grenzen für Kapitaltransfers aus China zu umgehen. Die meisten Käufer hätten aber einen Bezug zu Wien, etwa weil sie bei einer internationalen Organisation arbeiten.

Die Zunahme von Chinesen am Wiener Wohnungsmarkt erklären sich die Experten mit einer wachsenden Mittelschicht im Land der Mitte. Zudem spiele Eigentum bei dieser Gruppe eine große Rolle, sagt Smetana. Denn in China werden Immobilien meist im Baurecht errichtet: "Die erste Frage, die wir gestellt bekommen, ist: Ist es Eigentum oder Baurecht?", erzählt Smetana.

Im Gegensatz zur Haring Group werden bei EHL Immobilien von Chinesen hauptsächlich Wohnungen als Anlageobjekte gekauft und dann vermietet – meist in Eigenregie, wie David Breitwieser von EHL Immobilien berichtet. Die Kunden würden sich vorab sehr genau überlegen, was sie wollen: "Das ist kein emotionaler, sondern ein sehr rationaler Kauf." Die direkte Konfrontation, etwa bei Preisverhandlungen, werde mitunter gescheut – und stattdessen unter Umständen im Nachhinein beim Kaufanbot versucht, den Preis zu drücken.

Indische Hochzeiten

Wohlgemerkt: Ein Ausverkauf der Wohnungen an Chinesen steht in Wien wohl nicht bevor, das zeigt ein Blick auf die Zahlen. Im Vorjahr waren hierzulande 95 Prozent der Wohnungskäufer Österreicher, wie eine Auswertung von Immo United vor einigen Monaten zeigte. "Aber auf einem kleinen Immobilienmarkt wie Österreich fallen diese Entwicklungen sofort auf", sagt Breitwieser.

Eine Entwicklung, die man derzeit übrigens auch in Deutschland bemerkt, wie die Frankfurter Allgemeine vor kurzem berichtete: In Deutschland sind besonders Berlin und Frankfurt bei Chinesen begehrt, allein in Frankfurt verdoppelte sich demnach die Zahl der an Chinesen verkauften Wohnungen in den letzten zwei Jahren von 500 auf 1000.

Und zumindest in Wien steigt mittlerweile auch die Nachfrage von Indern, wie Branchenkenner berichten. Die ersten Anzeichen dafür sind laut Richard Buxbaum von Otto Immobilien bereits gegeben: "Es gibt immer mehr große indische Hochzeiten in Wien." (Franziska Zoidl, 16.7.2017)