Alfred Russel Wallace auf einem Foto aus dem Jahr 1895. Der etwas mürrische Herr war der vielen Medaillen "müde", er wollte sich für die Überreichung des Order of Merit keinen neuen Anzug kaufen. Und ein Grab in der Westminster Abbey lehnte er ab, weil er "gegen unnötige Zeremonien" war.

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John Colliers berühmtes Porträt von Charles Darwin aus dem Jahr 1883. Wallace sagte dem berühmten Porträtmaler etwas brüsk ab und hoffte danach, den Künstler nicht verletzt zu haben.

National Portrait Gallery/Wikimedia Commons

London/Wien – Wissen Sie, wer den Begriff "Origin of Species" – also "Entstehung der Arten" – erfand? Nein, das war nicht Charles Darwin, sondern sein Zeitgenosse Alfred Russel Wallace (1823 –1913), der zumindest in Fachkreisen gemeinsam mit Darwin als gleichberechtigter Mitbegründer der Evolutionstheorie gilt.

Wallace, der in den 1850er Jahren in Indonesien forschte, informierte Darwin über seine revolutionäre Idee, was 1858 dazu führte, dass beide ihre Versionen der Evolutionstheorie den Mitgliedern der Linnean Society präsentierten.

Doch wie kam es, dass der Name Darwins den von Wallace heute so sehr überstrahlt? Liegt es womöglich daran, dass sich Wallace später mit seinen seltsamen Interessen für den Spiritismus schadete?

Verweigerer von Ehrungen aller Art

Einen frischen Blick auf diese Fragen eröffnen 24 Briefe von Wallace, die am Mittwoch in England versteigert werden und in denen sich der britische Naturforscher vor allem als notorischer Verweigerer öffentlicher Ehrungen und Anerkennung erweist, berichtet die britische Zeitung "The Guardian".

Zwar wurden Wallace so ziemlich alle möglichen Orden zugesprochen. Das aber machte den öffentlichkeitsscheuen Wallace aber bloß "müde", wie er in einem Brief an seinen Verlager James Marchant schrieb. Und als er den Order of Merit im Buckingham Palace entgegennehmen sollte, eine der höchsten Auszeichnungen für Zivilpersonen, nahm er nicht an der Zeremonie teil. Das lag auch daran, dass er dafür einen neuen Anzug hätte kaufen müssen. Also musste der König die Medaille von einem Boten überbringen lassen.

Kränkung eines Porträtmalers

In einem anderen Brief an seinen Verleger berichtete Wallace darüber, dass er vom Porträtmaler John Collier gefragt worden sein, ob dieser ihn malen dürfe. Collier, der mit seinem berühmten Porträt Darwins zu dessen Unsterblichkeit beitrug, erhielt von Wallace eine Abfuhr: "Ich halte es für möglich, dass ich zu abrupt absagte und Collier damit womöglich verletzt habe", so Wallace etwas selbstkritisch.

Auch das ihm angetragene Begräbnis in der Westminster Abbey verweigerte er, wie sein Sohn kurz vor dem Tod des Vaters brieflich festhielt: "Weder meine Mutter noch mein Vater würden das wollen. Wir sind alle gegen Publicity und unnötige Zeremonien." Auch dieser Brief befindet sich unter den Schriftstücken, die am Mittwoch versteigert werden.

Schöpfer des Begriffs "Darwinismus"

Für Sandra Knapp, Kuratorin im Natural History Museum in London und Wallace-Spezialistin, ist es laut "Guardian" ein Mythos, dass Wallace seines Platzes in der Wissenschaftsgeschichte beraubt worden wäre: Der Naturforscher sei einfach ein etwas mürrischer Geselle gewesen, der alle Anlässe vermied, wo er sich Freunde machen und Menschen beeinflussen konnte. Und so wird man halt eher nicht ganz so weltberühmt wie Darwin.

Ein anderer guter Grund dafür, warum Wallace der Underdog der Evolutionstheorie blieb, liegt freilich auch in einer anderen Wortschöpfung des Naturforschers: Er ist der Urheber des Begriffs "Darwinismus". (tasch, 18.7.2017)