Von den Niedrigzinsen profitieren viele Kreditnehmer. Nicht nur private, sondern auch verschuldete Staaten.

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Frankfurt/Wien – 2008 rückte die Feuerwehr international und koordiniert aus. Die Rede ist vom globalen Flächenbrand im Finanzsystem, der nach dem Kollaps der US-Investmentbank Lehman Brothers drohte. Die großen Notenbanken schütteten viel Li quidität ins System und senkten die Zinsen massiv und dauerhaft. Was Sparer seither um viel Geld bringt, freut die Budgetverantwortlichen der Staaten. Sie zahlen deutlich weniger Zinsen für ihre Schulden.

Die Deutsche Bundesbank hat nun ein paar Vergleiche zu dem Thema angestellt und kommt gleich einmal zu einer großen Zahl. Knapp eine Billion hat allein die Europäische Zentralbank den Mitgliedern der Währungsunion durch das Absenken der Zinsen erspart. Gemessen an der Wirtschaftskraft ist Italien der größte Nutznießer. Hier macht die Entlastung 10,5 Prozent der Wirtschaftsleistung aus. Knapp dahinter folgen die Niederlande und Österreich. Das heimische Budget wurde somit um rund 35 Milliarden Euro geschont.

Deutschland nur im Mittelfeld

Deutschland liegt mit einem um 7,5 Prozent geringeren Zinsobolus bei der Ersparnis nur im Mittelfeld der analysierten Länder. In der gesamten Eurozone wird diese von der Bundesbank mit neun Prozent des Bruttoinlandsprodukts beziffert. Am geringsten fiel die Belastung bei den Krisenländern Portugal, Spanien und Irland, weil hier die Schulden nicht zuletzt wegen der Kosten für die Bankenrettungen massiv in die Höhe kletterten.

Dass Italien so stark profitiert, liegt unter anderem am hohen Schuldenstand des Landes, der hohe Zinszahlungen mit sich bringt. Dass auch Länder mit geringeren Verbindlichkeiten – wie Österreich oder die Niederlande – derart hohe Entlastungen verbuchen konnten, hängt wiederum mit dem stärkeren Rückgang der durchschnittlichen Zinsen zusammen.

Die Bundesbank hat dabei die tatsächliche Zinsbelastung von 2008 bis 2016 berechnet. Das Ergebnis wurde mit eine Simulation verglichen, bei der das Zinsniveau von 2007 konstant geblieben wäre. Die Ersparnis wird noch lange anhalten, sichern sich die Regierungen doch die günstigen Finanzierungskonditionen im Wege langlaufender Staatsanleihen für viele Jahre ab. Österreich hat beispielsweise im Vorjahr eine siebzigjährige Schuldverschreibung begeben, bei der die Verzinsung bei lediglich 1,5 Prozent lag. Mittlerweile hat sich der Finanzminister eine gesetzliche Ermächtigung besorgt, Anleihen bis zu einer Laufzeit von 100 Jahren zu emittieren.

Staaten als Nutznießer

Die Bundesbank verhehlt nicht, dass die eigentlich zur Stabilisierung des Finanzsystems und der Preise gedachten Niedrigzinsen vor allem den Staaten nutzen. "Trotz stark gestiegener Schuldenquoten" lägen die Zinsausgaben gemessen an der Wirtschaftsleistung "in den meisten Ländern auf dem tiefsten Stand seit Beginn der Währungsunion". Es wäre allerdings problematisch, die Finanzpolitik auf der Annahme dauerhaft extrem günstiger Finanzierungskonditionen für hohe Staatsschulden aufzubauen, heißt es im aktuellen Monatsbericht des Instituts. Vielmehr sei es wichtig, die Staatsfinanzen zügig auf eine solide Basis zu stellen.

Das hängt auch mit der sich abzeichnenden Zinswende zusammen, die wieder zu höheren Belastungen der Staatshaushalte führen dürfte. "Es steigt die Gefahr, dass durch eine Zinswende das Vertrauen in die Tragfähigkeit der Staatsfinanzen einzelner Länder verlorengeht", meint die Bundesbank. Die Geldpolitik drohe dann unter Druck zu geraten, dem entgegenzuwirken. Im Klartext: Die EZB könnte die Zinsen auch bei einem deutlichen Preisaufschwung niedrig halten, um die Budgets der Euroländer weiter zu schonen. (as, 24.7.2017)