London – Der oberste Richter in Großbritannien hat vor Grauzonen bei der Auslegung europäischen Rechts nach dem EU-Austritt gewarnt. Der Staat müsse klar sagen, wie die Urteilssprüche des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) nach dem Brexit zu deuten seien, sagte David Neuberger der BBC in einem am Dienstag ausgestrahlten Interview.

Das Oberste Gericht werde sich daran halten, was das Parlament in dieser Frage vorgebe. "Doch wenn es sich nicht klar äußern sollte, wie die Richter mit Entscheidungen des EuGH umgehen sollen, müssen sie eben nach bestem Wissen und Gewissen handeln." Laut Regierung in London soll der EuGH nach dem für 2019 vorgesehenen EU-Austritt Großbritanniens für das Land nicht mehr zuständig sein.

Umfangreiches Aufhebungsgesetz

Zugleich spricht sie jedoch in einem Positionspapier für die Brexit-Verhandlungen mit der EU davon, dass britische Gerichte EuGH-Entscheidungen auch nach dem Austritt Beachtung schenken müssten. Laut einer Regierungssprecherin geht es darum, dass auch künftig von EU-Recht abgeleitete Gesetze gemäß ständiger Rechtsprechung des EuGH auszulegen seien. Stichtag dafür solle das Datum des Brexit sein – der 29. März 2019. Fragen wie diese sollen in einem umfangreichen Aufhebungsgesetz für den Brexit (Repeal Bill) geklärt werden, das im Juli auf den Weg gebracht wurde, das Parlament aber noch längst nicht passiert hat.

Die Frage der Zuständigkeit des EuGH nach dem Brexit ist einer der Streitpunkte in den holprig angelaufenen Scheidungsgesprächen zwischen Großbritannien und der EU. Brüssel ist strikt dagegen, dass der EuGH beispielsweise in Streitfragen über die Rechte von EU-Bürgern nach dem britischen Austritt außen vor bleiben soll. Der Status von Millionen Briten und EU-Bürgern im jeweils anderen Gebiet ab April 2019 ist bisher noch ungeklärt. (APA, Reuters, 8.8.2017)