Elektroautos auf der Busspur in Oslo. Darüber gibt es so manche Klagen.

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Während Teile Europas ein Fahrverbot für Dieselfahrzeuge ventilieren und mit der Erfüllung der Klimaziele schwer im Hintertreffen sind, ist Norwegen gleich zwei Schritte weiter: Die dortige Regierung hat sich das ehrgeizige Ziel gesetzt, ab 2025 generell keine Fahrzeuge mit herkömmlichen Verbrennungsmotoren mehr zuzulassen. Eine aktuelle Studie bescheinigt Europas größter Erdölnation die Aussicht, bei konsequenter Weiterführung der derzeitigen Politik bis 2050 die erste Nation der Welt zu werden, die ihren gesamten Energiebedarf ohne fossile Rohstoffe – also schadstofffrei – deckt.

Aktuell bewegen sich auf Norwegens Straßen mehr als 110.000 Elektroautos. Das entspricht einem Marktanteil von rund 18 Prozent. Bis Jahresende dürften es 150.000 sein. Noch 2010 fuhren im Land der Fjorde knapp 10.000 E-Mobile. Damit galt Norwegen in Europa damals schon als das Musterland der E-Mobilität. Möglich wurde die rasante Entwicklung einerseits durch die geografische Situation: Intensive Nutzung der starken Gefälle von Wasserläufen ermöglicht es, dass das Land über 95 Prozent der Elektroenergie aus Wasserkraft deckt. Strom ist für Konsumenten billig.

Teure Förderung

Zum Zweiten existieren seit Jahren zahlreiche Fördermaßnahmen wie Mehrwertsteuerbefreiung, weitgehende Mautfreiheit, Gratisparken sowie die Mitbenutzung von Busspuren. Außerdem können E-Mobil-Besitzer an einem Großteil der insgesamt rund 90.000 Ladestationen ihre Autos landesweit gratis aufladen. Zahlen müssen sie lediglich an den Schnellladern, die derzeit rund zehn Prozent aller Stationen ausmachen. Rund 420 Millionen Euro pro Jahr lässt sich das reiche Land die Förderung kosten, obwohl es keine heimische Autoindustrie gibt, die davon profitiert.

2012 beschlossen alle im Parlament vertretenen Parteien die Fortführung der Förderungen. Dieser Tage veröffentlichte der Verband der Energieunternehmen, Energi Norge, eine Art Roadmap, die zusätzlich zur anvisierten Umstellung des gesamten Straßenverkehrs auf E-Mobilität bis zum Jahr 2050 den vollständigen Verzicht auf fossile Energie als realistisch skizziert. Insbesondere soll nach Vorstellung der Energiewirtschaft in Hinkunft künftig nicht nur der Straßenverkehr schadstofffrei werden, sondern auch die Schifffahrt und der Flugverkehr. Neben elektrischem Strom will man auch auf Wasserstoffverbrennungsmotoren und Biotreibstoffe setzen, um das auf den ersten Blick utopisch erscheinende Ziel zu erreichen.

Doppelte Wertschöpfung

Um eine "doppelte Wertschöpfung aus der erneuerbaren Wirtschaft" bis Mitte des Jahrhunderts zu erzielen, legten die Energieunternehmen der Regierung gleich einen ganzen Forderungskatalog bei. Hier schließt sich wohl auch der Kreis zu der nur am Rande zaghaft geübten Kritik an den ehrgeizigen Plänen der norwegischen Politik.

Zum einen befürchten Kritiker, dass es bei der massiven Förderung der elektrischen Energie letztlich doch wieder nur um den finanziellen Vorteil für Großkonzerne und andere einflussreiche Interessengruppen geht. Vor allem die Erdöl- und Erdgasindustrie verliert, trotz aller Exportorientierung, bereits jetzt eine Menge Geld im eigenen Land.

Zum anderen beäugen Autofahrerklubs und Verfechter öffentlicher Verkehrslösungen die geplante Totalumstellung auf E-Fahrzeuge mit einer gewissen Skepsis. Sie befürchten, dass Bahn und Bus in Zukunft weniger genutzt werden könnten. Das ebenfalls gelegentlich ins Treffen geführte Argument, die unbegrenzte Mitnutzung durch private Elektroautos werde die Busspuren in Hinkunft überhaupt ad absurdum führen, erscheint daneben als vergleichsweise geringe Sorge. (Andreas Stangl, 23.8.2017)