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Angela Merkel und Martin Schulz kämpfen auch mit privaten Einblicken um Wählerstimmen.

Foto: REUTERS/Fabrizio Bensch

Angela Merkel ist sehr strikt. Seit zwölf Jahren steht sie an der Spitze der deutschen Regierung, und es war noch nie, niemals eine "Homestory" aus ihrer Berliner Wohnung in irgendeinem Medium zu sehen. Zwar weiß man, wo Merkel wohnt (gegenüber dem Pergamonmuseum in Mitte), aber wie es in ihrem Wohnzimmer aussieht, das ist tabu. Ihr Ehemann, der Wissenschafter Joachim Sauer, gibt auch keine Interviews. Bilder aus dem Wochenendhaus nördlich von Berlin haben auch noch kein Magazin erreicht. Das Höchste der privaten Einblicke: Wenn Merkel und ihr Ehemann in Südtirol wandern, erscheinen am nächsten Tag in allen deutschen Zeitungen Fotos von Merkels ewig gleicher karierter Wanderbluse.

Doch weil Wahlkampf ist und das Volk nach Einblicken in das private Leben der Mächtigen lechzt, musste Merkel ein bisschen etwas preisgeben. Schließlich ist ihr SPD-Herausforderer Martin Schulz weniger zugeknöpft. Er hat kein Problem damit, ausführlich über seine in jungen Jahren überwundene Alkoholsucht zu sprechen.

"Ich habe mich als junger Mann vom Alkohol lösen müssen, weil ich alkoholabhängig war. Und ich habe das geschafft, da war ich 24 Jahre alt." Überhaupt dachte man in der SPD eine Zeitlang, Schulz werde mit seiner kumpelhaften und direkten Art sehr viel besser bei den Menschen ankommen als Merkel, die immer ein wenig distanziert und unterkühlt wirkt. Oder kann sich jemand vorstellen, dass Merkel erklärt, in der Schule ein "Sausack" gewesen zu sein? Schulz macht das.

Kartoffelstampfer statt Püriermaschine

Da traf es sich gut, dass die "Bunte" Merkel zum Interview bat. Und da passierte es. Merkel gab ein großes Geheimnis preis, nämlich die Machart ihrer Kartoffelsuppe: "Ich zerstampfe die Kartoffeln immer selbst mit einem Kartoffelstampfer und nicht mit der Püriermaschine. So bleiben in der Konsistenz noch immer kleine Stückchen übrig." Eine kulinarische Offenbarung und natürlich gleichzeitig eine politische: Merkel ist bodenständig, geerdet, braucht kein Schickimicki, hat aber dennoch einen kleinen Trick drauf, der sie von der Hausfrauenmasse, die Kartoffelsuppen püriert, abhebt.

Das brachte Schulz unter Zugzwang, und so bekannte er im Interview mit Youtube-Stars eine Jugendsünde: Er habe einmal in einer feuchtfröhlichen Nacht ein Paket Waschpulver ins Freibad gekippt. So richtig wild ist das natürlich nicht. Aber ein wenig frecher als Merkels Kartoffelsuppe schon. So würde Schulz auch im Wahlkampf gerne ankommen: ein bisschen mutiger als Merkel. Allerdings gelingt es nicht. (Birgit Baumann aus Berlin, 14.9.2017)