Chinas Wirtschaft ist weiterhin löwenstark und zieht die globalen Konjunkturdaten nach oben. Doch große Staatskonzerne konzentrieren auch im Reich der Mitte ihre Macht.

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Wien – Ein globaler "New Deal" muss her. Das fordert die Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (Unctad) in ihrem am Donnerstagabend erschienenen Bericht über die Weltwirtschaft. Hintergrund ist die flaue Konjunktur. Zwar soll die globale Wirtschaftsleistung im laufenden Jahr um 2,6 Prozent wachsen, aber das liegt vor allem an der Expansion großer Schwellenländer wie China und Indien. Lateinamerika kommt gerade mit einem leichten Plus aus der Rezession, und das Wachstum in der Eurozone bleibt hinter den USA zurück. Entwicklungsländer sollen heuer um ein Drittel langsamer wachsen als vor der Krise. Fazit: Die Euphorie über die globale Erholung ist überzeichnet.

Dabei wäre ein robuster Aufschwung durchaus möglich, meint die UN-Organisation. "Eine Kombination aus zu hoher Verschuldung und zu geringer globaler Nachfrage hat ein nachhaltiges Wachstum der Weltwirtschaft verhindert", sagt Unctad-Chef Mukhisa Kituyi. In Anlehnung an die Politik von US-Präsident Roosevelt soll die Weltgemeinschaft durch massive Infrastrukturinvestitionen Wachstum und die Beschäftigung ankurbeln.

Bringschuld der Industrieländer

Eine Bringschuld sieht die Unctad bei den Industrieländern. Problematisch sei zum Beispiel der hohe Leistungsbilanzüberschuss Deutschlands zu einer Zeit, in der sich die USA langsam als "Konsument in letzter Not" zurückziehen. Gelobt wird im Bericht dagegen das chinesische "One Belt One Road"-Projekt, das mit Investitionen in der Höhe von einer Billion Dollar die Infrastruktur entlang der historischen Seidenstraße ausbauen soll.

Die Forderung nach weniger Austeritätspolitik bei gleichzeitiger Kritik an zu hoher Verschuldung ist jedoch kaum aufzulösen, wie eine gängige Kritik von Ökonomen lautet. Diese bekannte Debatte hat Europa ja durch die Eurokrise begleitet.

Höhere Überschussgewinne

Wo sich jedoch Linke wie Liberale einig sein dürften, ist bei der wachstumshemmenden Wirkung der globalen Marktkonzentration. In einer Schwerpunktstudie des Unctad-Berichts wurden Unternehmen außerhalb des Finanzsektors in 56 Entwicklungs- und Industriestaaten analysiert. Die Ökonomen fokussierten dabei auf sogenannte Überschussgewinne. Damit sind Unternehmensprofite gemeint, die über dem Niveau liegen, das unter freien Wettbewerbsbedingungen zu erzielen ist.

Demnach ist der Anteil solcher Überschussgewinne an den Gesamtgewinnen in den zwei Jahrzehnten zwischen 1995 und 2015 von unter fünf Prozent auf knapp ein Viertel gestiegen. Seit der Finanzkrise hat sich dieses Wachstum jedoch abgeflacht. Mit einer markanten Ausnahme: Die Überschussprofite der 100 größten Konzerne wuchsen zunächst von 16 auf 30 Prozent im Jahr 2008, danach fast ungebremst weiter von 30 auf 40 Prozent bis 2015. Im gleichen Zeitraum nahm die globale Marktkonzentration deutlich zu. Im Jahr 1995 hatten die 100 größten Konzerne den 31-fachen Marktwert der kleinsten 2000 börsennotierten Unternehmen. Im Jahr 2015 war es der 7000-fache Marktwert.

Problematischer Missbrauch

Dass Unternehmen durch Innovation eine dominante Marktstellung einnehmen, muss nicht per se etwas Schlechtes sein, wie schon der österreichische Ökonom Joseph Schumpeter beschrieben hat. Die jüngste Debatte über "Superstar Firmen", die vom US-Ökonomen David Autor angestoßen wurde, schlägt in die Kerbe. Innovative Technologiefirmen ernten Überschussprofite fair am Markt dank hoher Investitionskosten und Risiko, die sich in einem billig zu reproduzierenden Produkt niederschlagen, man denke an Google oder Facebook. Problematisch wird erst der Missbrauch von Marktmacht, um staatliche Regulatoren zu vereinnahmen und einen freien Wettbewerb zu unterwandern. Die Unctad kritisiert daher Defizite bei der Kartellgesetzgebung in den USA und der EU. Diese konzertiere sich auf Zusammenschlüsse großer Firmen. Der Einfluss auf Politik werde zu wenig berücksichtigt. Das führe auch zu "exzessiven" Regelungen des geistigen Eigentums, wie im Bericht steht.

Stärkeren Wettbewerb erhofft sich die UN-Organisation durch die Schaffung einer globalen Kartellbeobachtungsstelle.

Zumindest Österreich hat hier gute Erfahrungen mit internationaler Verflechtung gemacht. Vor dem EU-Beitritt gab es hierzulande nicht einmal eine unabhängige nationale Wettbewerbsbehörde. (Leopold Stefan, 15.9.2017)