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Zwei Spanier, die offenbar mit dem Ergebnis einverstanden sind – der Präsident der katalanischen Regionalregierung, Carles Puigdemont, spricht im Hintergrund im Fernsehen.

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Der katalanische Regierungschef Carles Puigdemont (links) und sein Vize Oriol Junqueras (Mitte) sowie Regierungssprecher Jordi Turull nach dem Kabinettstreffen am Montag.

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Barcelona/Madrid – Die EU-Kommission hat nach dem von massiver Polizeigewalt überschatteten Unabhängigkeitsreferendum in Katalonien am Montag ihre bisherige Position bekräftigt: Die spanische Verfassung sehe ein derartiges Referendum nicht vor, das katalanische Votum sei daher illegal.

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hatte bereits mehrmals betont, dass es sich um eine innerspanische Angelegenheit handle. Noch vor dem Referendum hatte er erklärt, dass er eine Abspaltung nur dann akzeptieren würde, wenn sie juristisch korrekt ablaufe. Am Montag wiederholte Juncker auch noch einmal, dass Katalonien im Fall einer Abspaltung nicht automatisch in der EU bleiben würde.

EU: Vertrauen in Rajoy in diesem "schwierigen Prozess"

Die EU-Kommission rief außerdem zu Einigkeit und Stabilität sowie alle Beteiligten dazu auf, "sehr schnell" von der "Konfrontation zum Dialog" überzugehen. Man habe aber Vertrauen in die Regierung von Mariano Rajoy, dass sie diesen "schwierigen Prozess" im Einklang mit der spanischen Verfassung und fundamentalen Menschenrechten handhaben werde. Ein Kommissionssprecher sagte außerdem: "Gewalt kann nie ein Instrument der Politik sein."

Das Ergebnis des umstrittenen Referendums in Katalonien hält die Regionalregierung der spanischen Provinz für gültig und bindend. Das erklärte deren Chef Carles Puigdemont am Montag. Puigdemont sprach sich für eine Vermittlung im Streit mit der Regionalregierung in Madrid durch die EU aus. Er selbst habe keinen Kontakt zum spanischen Ministerpräsidenten. Seine Regierung plane keinen "traumatischen Bruch" mit Spanien. Benötigt werde jedoch ein neues Verständnis.

Gleichzeitig sollen Verfahren gegen diejenigen angestrengt werden, die für die Gewalt während der Abstimmung verantwortlich seien. Ein Sonderausschuss werde die Vorwürfe der Grundrechtsverletzungen prüfen.

"Katalanische Republik"

Die katalanische Regierung beansprucht nach dem Referendum einen eigenen Staat für die Region. "An diesem Tag der Hoffnung und des Leidens haben Kataloniens Bürger das Recht auf einen unabhängigen Staat in Form einer Republik erworben", sagte Regionalpräsident Carles Puigdemont am Sonntagabend in einer Fernsehansprache.

Nach Angaben der Regionalregierung stimmten 90 Prozent der Wähler für eine Loslösung von Spanien. Die Wahlbeteiligung lag allerdings nur bei rund 42 Prozent. Etwa 2,26 Millionen Wähler haben laut Regierungssprecher Jordi Turull ihre Stimme abgegeben.

90 Prozent der Abstimmenden haben sich für die Unabhängigkeit ausgesprochen, gab hat die katalanische Regionalregierung in der Nacht bekannt. Die spanische Regierung will das Votum nicht anerkennen. Beitrag aus der "ZiB" um 8 Uhr.
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Mariano Rajoy erklärte die vom Verfassungsgericht als illegal eingestufte Abstimmung für ungültig. Es habe kein Unabhängigkeitsreferendum gegeben, sagte Rajoy. Er hoffe, dass die katalanische Führung den Weg verlasse, der nirgends hinführe.

893 Verletzte, Generalstreik geplant

Nach dem Referendum zeichnen sich in Katalonien weitere Spannungen ab. Einem Bericht der Zeitung "La Vanguardia" zufolge soll es am Dienstag einen Generalstreik geben. Dazu hätten Organisationen von Unabhängigkeitsbefürwortern und Gewerkschaften aufgerufen.

Die Regionalregierung hatte das Referendum trotz eines gerichtlichen Verbotes und gegen den Willen der Zentralregierung durchgezogen. Die Madrid unterstehende Polizei war mit einem Großaufgebot gegen das Referendum vorgegangen (siehe dazu: Polizei griff bei Urnengang hart durch). Polizisten schlossen Wahllokale, beschlagnahmten Abstimmungsunterlagen und hinderten Menschen teilweise mit Schlagstöcken und Gummigeschoßen an der Stimmabgabe. Die katalanische Regierung beziffert die Zahl der Verletzten mit 893.

Barcelona plant juristische Schritte gegen Madrid

Der Sprecher der Regionalregierung sprach von "Unterdrückung durch den spanischen Staat" und einer "Schande Europas" und kündigte juristische Schritte gegen die Zentralregierung an. Diese werde sich vor internationalen Gerichten wegen der Gewalt verantworten müssen.

"Wir haben das Recht gewonnen, einen unabhängigen Staat zu haben", sagte Puigdemont am Sonntagabend noch vor Bekanntgabe der Resultate. Nach einem vom katalanischen Parlament verabschiedeten "Abspaltungsgesetz" soll die Unabhängigkeit bei einem Sieg des Ja-Lagers innerhalb von 48 Stunden ausgerufen werden.

"Wir werden diesen Weg gemeinsam und friedlich beschreiten", sagte Puigdemont. Auf der Plaça de Catalunya im Zentrum Barcelonas brachen Zehntausende bei diesen Worten in Jubel aus. Sie sangen auch die katalanische Nationalhymne "Els Segadors".

Puigdemont hat für Montagvormittag eine Sondersitzung der Regionalregierung einberufen. Das Treffen solle um 10.30 Uhr hinter verschlossenen Türen stattfinden, berichteten spanische Medien.

Rajoy verteidigt Vorgehen der Polizei

Rajoy verteidigte das Vorgehen der Polizei am Abend in einer Fernsehansprache als Abwehr eines Angriffs auf den Rechtsstaat. Die Abstimmung bezeichnete er als Inszenierung ohne jede Gültigkeit. Es habe kein Unabhängigkeitsreferendum gegeben.

Die Regionalregierung habe Grundrechte verletzt und gegen die Rechtsstaatlichkeit und das demokratische Zusammenleben verstoßen, erklärte Rajoy. Die Katalanen seien dazu verleitet worden, an einer gesetzeswidrigen Abstimmung teilzunehmen. Der konservative Politiker gab der Regionalregierung die Schuld an den Unruhen. Die Verantwortlichen seien die, "die das Gesetz gebrochen haben". "Wir haben nur unsere Pflicht erfüllt und das Gesetz befolgt."

Rajoy kündigte an, ein Treffen aller Parteien ansetzen, um gemeinsam über die Zukunft nachzudenken. Er selbst werde sich keiner Gelegenheit zum Dialog verschließen, aber man müsse sich im Rahmen des Gesetzes bewegen. Die Zentralregierung in Madrid wiederum hat angedroht, die Autonomie auszusetzen, sollte Katalonien die Unabhängigkeit ausrufen.

Ruf nach Vermittlung der EU

Die stärkste Oppositionskraft in Madrid, die Sozialistische Partei (PSOE), sprach von "Schande und Trauer". Die Besorgnis wegen der Polizeigewalt erreichte auch andere EU-Länder. "Die Eskalation in Spanien ist besorgniserregend", schrieb der SPD-Chef und langjährige EU-Parlamentspräsident Martin Schulz. Madrid und Barcelona müssten "sofort deeskalieren und den Dialog suchen". Der belgische Premierminister Charles Michel erklärte: "Gewalt kann nie eine Antwort sein." Der Ruf nach einer Vermittlung der EU wurde lauter. Puigdemont selbst forderte die EU auf, nicht mehr wegzuschauen, sondern einzugreifen.

In Österreich meldeten sich am Sonntag Grüne und FPÖ zu Wort. Die grüne Spitzenkandidatin Ulrike Lunacek erklärte: "So wie alle Demokraten in Europa bin ich von der gewalttätigen Zuspitzung der Situation in Katalonien auf das Tiefste schockiert." Sie verurteilte den Einsatz von Gummigeschoßen gegen Demonstranten auf das Schärfste. Harald Vilimsky, freiheitlicher Delegationsleiter im Europaparlament und FPÖ-Generalsekretär, erklärte, angesichts der Gewalteskalation seien "jetzt die EU-Spitzen gefordert", die spanische Zentralregierung zur Ordnung und Mäßigung zu rufen. Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) erklärt, er beobachte die Entwicklungen mit "Bauchweh und Sorge". (APA, red, 2.10.2017)