Frankreichs Staatsbedienstete stiegen am Dienstag auf die Barrikaden.

Während Emmanuel Macron in Frankfurt schöngeistige Betrachtungen anstellte und neben Angela Merkel die Buchmesse einweihte, krachte es auf den französischen Boulevards gehörig. Nebelhörner, Hupen und Megafonparolen begleiteten die Umzüge Zehntausender Beamter in 120 Orten Frankreichs. Am Hauptumzug in Paris verhaftete die Polizei Randalierer – was nicht einer gewissen Ironie entbehrte: Neben Lehrern, Beamten, Krankenschwestern, Steuerbeamten oder Briefträgern beteiligten sich auch CRS-Bereitschaftspolizisten am Streiktag, da sie seit Wochen mit dem Innenministerium um höhere Tagesansätze ringen.

Im Flugverkehr gab es zahlreiche Ausfälle. An einzelnen Flughäfen fiel ein Drittel der Flüge aus; die übrigen verkehrten verspätet. Bei der Bahn hielten sich die Verzögerungen in Grenzen. In den Spitälern hatten die Streikenden Vorkehrungen getroffen. Die Forderungen der öffentlichen Bediensteten betreffen vordergründig höhere Löhne und Stellengarantien. Macron hatte schon im Präsidentschaftswahlkampf erklärt, er wolle die Beamtenlöhne einfrieren und bis zu seinem Mandatsende 120000 Stellen im öffentlichen Dienst abbauen.

Neoliberale Politik

Der erste gemeinsame Aktionstag aller neun Beamtengewerkschaften reihte sich allerdings auch in die jüngsten Proteste gegen die Arbeitsmarktreform ein. Der bekannte Autor Didier Eribon fasste die sozialpolitischen Widerstände in den Vorwurf, Macron betreibe "neoliberale" Politik.

Macron hatte es bisher geschafft, die Gewerkschaftsfront gegen die Reform des Arbeitsrechtes zu spalten. Dabei übersah er, dass sich ein neuer Zusammenschluss gegen ihn formiert, der bedeutend weiter geht und ihn in die Zange zu nehmen droht – von der linksradikalen Gewerkschaft CGT über die Beamtenschaft bis hin zu den lokalen, oft meist konservativ regierten Gebietskörperschaften.

Bürgermeister überfordert

Im neuen Staatshaushalt erhalten die Gemeinden und Departemente vom Staat 13 Milliarden Euro weniger als im Vorjahr. Viele Bürgermeister sagen, sie könnten die zunehmende Aufgabenlast nicht mehr wahrnehmen. Da der Staat immer Zuständigkeiten an die lokalen Körperschaften abtrete, seien sie gezwungen, ihre Budgets zu erhöhen und mehr Beamte einzustellen.

Der Mittepolitiker Macron sieht sich damit einem Schulterschluss von links bis rechts gegen seine Sparpolitik gegenüber. In der Sache mag er recht haben: Die Zahl der 5,4 Millionen Beamten aller Verwaltungsebenen nimmt in Frankreich seit Jahren übermäßig zu, genauso wie die Staatsschuld, weil die sich abfolgenden Regierungen seit vierzig Jahren keinen ausgeglichenen Haushalt mehr zustande gebracht haben. Wie all seine Vorgänger im Elyséepalast schafft es Macron nicht, seinen Landsleuten eine vernünftige Reformpolitik nahezubringen, geschweige denn breite Zustimmung dafür zu ernten.

Sollte der Präsident letztlich scheitern, wäre dies für ihn nicht nur innenpolitisch gravierend: Der Sparkurs Frankreichs war und ist Voraussetzung, dass die deutsche Regierung seinerseits Zugeständnisse bei der Integration der Eurozone macht. (Stefan Brändle aus Paris, 11.10.2017)