Vorläufiges Endergebnis.

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Stephan Weil, Ministerpräsident und SPD-Spitzenkandidat, hat nach der Landtagswahl in Niedersachsen Grund zu – verhaltener – Freude.

Foto: REUTERS/Wolfgang Rattay

Die Serie der Misserfolge der deutschen Sozialdemokraten ist zu Ende. Bei der Landtagswahl in Niedersachsen am Sonntag konnte die SPD mit ihrem Spitzenkandidaten Stephan Weil, der auch Ministerpräsident ist, ihr Ergebnis von 2013 (32 Prozent) stark verbessern. Sie legte nach ersten Hochrechnungen rund fünf Prozentpunkte zu.

Das löste sowohl in Berlin als auch in Hannover Jubel aus. Denn das Feiern hatte die SPD schon fast verlernt. "Das ist ein großer Abend für die niedersächsische SPD", erklärte Weil kurz nach 18 Uhr.

SPD erleichtert

Auch SPD-Vize Ralf Stegner war die Erleichterung anzusehen. "Wir hatten in letzter Zeit nicht viel Grund zum Freuen, heute haben wir ihn", sagte er und sprach von einem "ganz großen Erfolg". Seine Erklärung für die Trendwende: zum Ersten die hohe Zustimmung für Weil. Laut Forschungsgruppe Wahlen kam Weil bei der Frage nach der Direktwahl auf 50 Prozent, sein Herausforderer, CDU-Chef Bernd Althusmann, nur auf 32 Prozent.

Doch Stegner wies auch auf die Polarisierung der großen Parteien im Wahlkampf hin. Weil führte eine rot-grüne Landesregierung an, die CDU war in Opposition. "Wenn polarisiert wird, dann gewinnen wir auch", sagte Stegner. Und der Bundesvorsitzende Martin Schulz konnte endlich nach einer Wahl verkünden: "Das ist ein großartiger Sieg. Die SPD ist der ganz klare Wahlsieger."

"Keine Beruhigungspille"

"Niemand betrachtet dieses Wahlergebnis in Niedersachsen als Beruhigungspille", sagte Weil allerdings am Montag in Berlin bei einem gemeinsamen Presseauftritt mit Parteichef Martin Schulz. Der Wahlsieg sei eine Ermutigung, den Erneuerungsprozess anzugehen. Auch Schulz unterstrich, die SPD stehe am Abschluss eines sehr harten Wahljahres, aber auch am Beginn eines Erneuerungsprozesses.

In Niedersachsen sind die Mehrheitsverhältnisse nun relativ schwierig. Möglich wäre natürlich eine große Koalition. Eine Jamaika-Koalition aus CDU, FDP und Grünen hat Stephan Weil in seinem Bundesland aufgrund der Vorfestlegung der Parteien als unwahrscheinlich bezeichnet. "Das halte ich in Niedersachsen für sehr ausgeschlossen", sagte Weil am Montag in der ARD.

Für seine SPD gebe es nach den Ergebnissen vom Sonntag die Möglichkeit einer Ampel mit FDP und Grünen oder einer großen Koalition. Zwar sei beides "nicht so ganz einfach". Aber er werde sehr viele Gespräche führen. Danach werde man sehen, was möglich sei. Nach dem vorläufigen Endergebnis gewann die SPD mit 36,9 Prozent klar vor der CDU mit 33,6 Prozent.

Am Montag brachte Grünen-Chefin Simone Peter auch eine Minderheitsregierung ins Spiel. Auch der Vorsitzende der Bundestagsfraktion, Anton Hofreiter, bezeichnete eine rot-grüne Minderheitsregierung in Niedersachsen als denkbar.

Schulz-Hype

Nachdem der Jubel bei der SPD am Sonntagabend verklungen war, wurde gleich über eine Wiederbelebung des "Schulz-Hypes" gewitzelt. Kurz nach der Nominierung von Martin Schulz als SPD-Chef im Jänner waren die Werte der SPD in Umfragen so stark angestiegen, dass von einem solchen die Rede war. Doch dann sanken die Umfragen wieder, und die SPD verlor, nachdem Schulz im März offiziell zum SPD-Chef und zum Kanzlerkandidaten gewählt worden war, zunächst im Frühjahr die drei Landtagswahlen im Saarland, in Schleswig-Holstein und in Nordrhein-Westfalen.

Von dieser Niederlagenserie erholte sich die SPD während des Sommers nicht mehr. Sie sackte bei der Bundestagswahl am 24. September schließlich auf ein historisches Tief und landete bei 20,5 Prozent. Noch am selben Abend erklärte Schulz, man werde in Opposition gehen.

Nicht in Sack und Asche

Bei der CDU hingegen war die Stimmung weniger gut. Zwar war sie bei der Bundestagswahl klar stärkste Kraft geworden, hatte aber 8,6 Punkte verloren und nur noch 32,9 Prozent erreicht. In Niedersachsen waren im Vergleich zum Wahlergebnis 2013 (36 Prozent) leichte Verluste von 1,5 Prozentpunkten zu verzeichnen.

Doch das große Wahlziel, die Nummer eins zu bleiben, konnte nicht erreicht werden. "Ich hätte mir natürlich ein besseres Ergebnis gewünscht, aber ich sage sehr deutlich: In Sack und Asche gehen müssen wir überhaupt nicht. Wir haben uns deutlich vom Bundestrend abgekoppelt", betonte CDU-Chef Bernd Althusmann.

Eigentlich hätten die Niedersachsen erst im Jänner 2018 wählen sollen. Doch Anfang August trat die Landtagsabgeordnete Elke Twesten aus der Grünen-Fraktion aus und wechselte zur CDU. Dadurch verlor die rot-grüne Regierungskoalition ihre Mehrheit, die Wahlen wurden auf den 15. Oktober vorgezogen.

Kein Mandat für Twesten

Im August hatte es noch nach einem sicheren Wahlsieg der CDU ausgesehen. Doch der Wechsel von Twesten hatte für viel Unruhe gesorgt. Die Gerüchte wollten nicht verstummen, dass die CDU Twesten "herausgekauft" habe. Sie wird übrigens dem Landtag nicht mehr angehören, sondern wieder bei der Zollverwaltung arbeiten.

Die AfD schaffte den Einzug in den Landtag, sie kam laut ersten Hochrechnungen allerdings nur auf 5,5 Prozent. Zum Vergleich: Bei der Bundestagswahl vor drei Wochen hatte sie 12,9 Prozent geschafft. Es zeigte sich bei der Niedersachsen-Wahl auch, dass die AfD im Norden in den alten Bundesländern nicht so gut ankommt. In die Hamburger Bürgerschaft war sie auch nur mit 6,1 Prozent eingezogen, in Schleswig-Holstein waren es 5,9 Prozent. In den ostdeutschen Bundesländern hingegen erreichte die AfD auch hohe zweistellige Ergebnisse.

Die FDP sank am Sonntag von 9,9 auf rund 7,5 Prozent, die Grünen fielen von 13,7 auf 8,2 Prozent ab, die Linke kommt nicht in den Landtag. (bau, red, 16.10.2017)