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Deutsche Versicherer versuchen ihren Bestand an Lebenspolizzen – im Bild demonstriert eine Hebamme an einer Babyklappe die Abgabe eines Babys anhand einer Puppe – loszuwerden.

Foto: AP/Jens Meyer

Wien – Das Niedrigzinsumfeld hat in den vergangenen Jahren vor allem den Versicherungen zugesetzt. Sie sitzen auf tausenden Altverträgen mit hohen Zinsversprechungen, die im aktuellen Umfeld kaum zu erwirtschaften sind. Hinzu kommt, dass Versicherungen die ihnen anvertrauten Prämien nur sehr konservativ veranlagen dürfen und mit Solvency II höhere Kapitalanforderungen erfüllt werden müssen – damit fällt es doppelt schwer, alte Gewinnversprechen einzuhalten.

Daher wurden die Garantiezinsen bei Lebensversicherungen in den vergangenen Jahren schrittweise zurückgenommen. Einige Häuser bieten bereits Polizzen ohne Garantieverzinsung an. In Summe belastet diese Situation die Branche aber enorm.

In Deutschland hat daher ein sogenannter Run-off eingesetzt. Zuletzt haben Ergo, Generali und Axa angekündigt, das Engagement im Bereich Leben zurückzufahren und bestehende Verträge zu verkaufen. Mehr als zehn Millionen Verträge sollen demnach den Besitzer wechseln. Laut Schätzungen der Ratingagentur Fitch werden die deutschen Lebensversicherer bis 2022 für fast ein Fünftel des Marktes das Neugeschäft eingestellt haben. Lebensversicherungen im Volumen von rund 180 Milliarden Euro würden dann voraussichtlich nur noch abgewickelt, ohne dass Kunden für das gleiche Produkt neue Verträge abschließen könnten. Derzeit sei laut Fitch bereits ein Volumen von 90 Milliarden Euro im Run-off (also in der Abwicklung) – das sind neun Prozent des Bestandes.

Ausgelagerte Abwicklung

Die Abwicklung der Verträge wird von den Instituten immer öfter ausgelagert. Dafür wird der Bestand an Investoren verkauft, die sich auf die Abwicklung von Verträgen spezialisiert haben. Wenn sie keine neuen Kunden mit attraktiven Zinsen anziehen müssten, könnten die Lebensversicherer nur die versprochene Mindestverzinsung ausschütten und zugleich die Vertriebsprovisionen drastisch senken. Die Verwaltungskosten stiegen aber mit schrumpfenden Beständen – was es attraktiver mache, die Portfolios an Spezialisten weiterzuverkaufen, die die Bestände mehrerer Anbieter bündeln.

Verbraucherschützer warnen, dass Kunden bei der Abwicklung durch Investoren schlechter aussteigen. Auch die deutsche Finanzaufsicht Bafin sieht diesen Trend kritisch und will die Käufer großer Portfolios von Lebenspolizzen genau unter die Lupe nehmen. "Je größer die betreffenden Bestände sind, desto größer sind auch die operationellen Anforderungen an einen Übernehmer", betonte Frank Grund, Chef der Versicherungsaufsicht bei der Bafin. Und: "Wir werden die Belange der Versicherten wahren – nicht nur in finanzieller Hinsicht."

In Österreich ist das alles noch kein Thema. Verträge werden hierzulande noch nicht im großen Stil ausgelagert oder weiterverkauft. Man habe in Österreich die Garantiezinsen früher gesenkt als die deutschen Kollegen. Daher seien Altverträge nicht so belastend, heißt es. Die heimischen Versicherungen kämpfen aber mit einem anderen Problem: Immer mehr Leute wollen von ihren Verträgen zurücktreten, weil sie falsch über die Rücktrittsrechte belehrt wurden. In diesem Fall müssen die Institute einbezahlte Prämien mit vier Prozent verzinst rückzahlen. Für Kunden ist das oft lukrativ. Da es mehrere Sammelaktionen gibt, wird das für die Versicherungen wohl teuer. (bpf, 19.10.2017)