Bild nicht mehr verfügbar.

Ob eine Reinigungskraft künftig bei Krankheit länger Lohn bezahlt bekommt, hängt vom Bundesrat ab. Die Länderkammer hat das Gesetz zur Angleichung von Arbeitern und Angestellten auf der Agenda.

Foto: Reuters / Heinz-Peter Bader

Wien – Ihre letzte Hürde muss die vom Nationalrat in seiner letzten Sitzung vor der Wahl beschlossene arbeitsrechtliche Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten erst nehmen: den Beschluss durch den Bundesrat. Die Länderkammer tagt am Mittwoch und hat die Materie – sehr zum Missfallen von ÖVP, Wirtschaftskammer und Industrie – in ihrer Sitzung auf der Tagesordnung.

Ob ausreichend Abgeordnete den dafür notwendigen Änderungen in diversen Gesetzen – von Angestellten- bis Entgeltfortzahlungsgesetz – zustimmen, schien vor dem Wochenende plötzlich ungewiss. Die Freiheitlichen, die den Beschluss mit SPÖ und Grünen am 12. Oktober herbeigeführt hatten, könnten die Zustimmung doch noch vertagen, so die in parlamentarischen Arbeitnehmerkreisen kursierende Befürchtung. Gibt der Bundesrat kein grünes Licht, ginge das Gesetz zwecks Beharrungsbeschluss zurück an den Nationalrat. Der tagt das nächste Mal allerdings bereits in neuer Farbenlehre und Zusammensetzung, und es scheint höchst ungewiss, ob es dort für die von Gewerkschaftern seit vielen Jahren angestrebte weitere Angleichung neuerlich eine Mehrheit gäbe.

FPÖ kalmiert

"Das ist Unsinn", stellt FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl, vom STANDARD mit den Befürchtungen über einen allfälligen Absprung der FPÖ-Mandatare und damit einhergehende Unwägbarkeiten konfrontiert, am Freitag klar. Nichts dergleichen sei geplant.

Eher nach Zweckoptimismus klang die Stimmung im SPÖ-Klub des Parlaments. Wohl betont man im Büro von Klubchef Andreas Schieder, nichts über einen drohenden Absprung der Freiheitlichen gehört zu haben, einzelne Abgeordnete waren davon aber nicht überzeugt. "Das wird eine Zitterpartie", sagt einer aus dem Arbeitnehmerflügel, der nicht genannt werden wollte.

Zeitfrage

Wiewohl eine Kehrtwendung der Blauen zweifellos einen Umfaller gegenüber dem viel beschworenen "kleinen Mann" darstellen würde: Taktisch unklug wäre eine solche vor Beginn der Koalitionsverhandlungen mit der ÖVP freilich nicht – quasi ein Zugeständnis an einen präsumtiven Koalitionspartner ÖVP. Denn bis die meisten notwendigen arbeitsrechtlichen Angleichungen zwischen Arbeitern und Angestellten in Kraft treten, vergehen Jahre, die Gleichstellung soll ja schrittweise ab Juli 2018 erfolgen, erst 2021 wird sie vollumfänglich sein.

Bis dahin könnte die neue Regierung einen neuen Kompromiss ausarbeiten, der auch dem Wirtschaftsflügel besser schmeckt. ÖVP-Sozialsprecher August Wöginger hatte das Gesetz, wie berichtet, als "Husch-Pfusch-Aktion" gegeißelt. Die Wirtschaftskammer rechnete eine Belastung von jährlich 150 Millionen vor, das Sozialministerium nur von 25 Millionen plus 27 Millionen für die Unfallversicherungsanstalt.

Vom Gesetz profitieren, wie berichtet, Arbeiter und Angestellte: Kündigungsfristen werden einheitlich auf sechs Wochen fixiert, die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall vereinheitlicht. Allerdings sind Ausnahmen für Saisonbranchen wie Bau und Tourismus möglich. Die Angleichung kann entfallen, wenn Gewerkschaft und Wirtschaftskammer dies vereinbaren. (Luise Ungerboeck, 21.10.2017)