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Italien gilt als Patient in der Eurozone. Die Wirtschaftsdaten haben sich zuletzt aber gebessert.

Foto: Reuters

Rom – Erstmals nach 15 Jahren hat die Ratingagentur Standard & Poor's Italiens Kreditwürdigkeit auf BBB+ hinaufgestuft. Die langfristigen Verbindlichkeiten des Landes liegen nun zwei Stufen über Ramschniveau.

Begründet wurde der Schritt mit besseren konjunkturellen Wachstumsaussichten. 2017 wird Italiens Wirtschaft ein Wachstum um 1,4 Prozent vorausgesagt, 2018/19 um je 1,5 Prozent.

Positiv gewürdigt wurden von der US-Ratingagentur zudem der Beschäftigungsaufbau und die expansive Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB). Außerdem ebbten die Risiken im italienischen Bankensektor ab, die seit Jahren ein erhebliches Problem darstellten. Das verbesserte Rating kam überraschend und – Zufall oder nicht – am selben Tag, als Staatspräsident Sergio Mattarella das Mandat von Banca-d'Italia-Chef Ignazio Visco für die Zeit ab 2018 (bis 2023) verlängerte.

Kritik an Zentralbankern

Visco steht, wie berichtet, in der Kritik, weil die Zentralbank ihrer Funktion als Bankenaufsicht nicht ausreichend nachgekommen sei. Er habe zu lange zugesehen, wie sich faule Kredite in den Bilanzen der Geldhäuser anhäuften. Im Zuge der Krise mussten zehn Kreditinstitute in Italien ihre Tore schließen.

Visco gilt allerdings als enger Verbündeter von EZB-Präsident Mario Draghi, der für die expansive Geldpolitik steht, von der insbesondere Italien gewaltig profitiert.

Prompt schossen in Italiens Medien Spekulationen ins Kraut, S&P mache Stimmung und habe der Regierung ein Wahlgeschenk gemacht. Parlamentswahlen sind zwar erst im März, aber nächste Woche finden auf Sizilien Regionalwahlen statt, die als Stimmungstest gelten. Die Regierung in Rom unter Premier Paolo Gentiloni gehe mit der S&P-Hinaufstufung hausieren, hieß es, obwohl andere Bonitätsprüfer ihre Einschätzung unverändert ließen.

Kräftiges Wachstum

Obwohl das Wirtschaftswachstum 2017 kräftiger ausfiel als vorausgesagt, hinkt Italien weiterhin dem europäischen Wachstum hinterher. Laut Bank-Volkswirten sei die konjunkturelle Verbesserung nicht dank interner Reformen, sondern primär infolge der gesamteuropäischen Erholung erfolgt. Und zweifellos hat auch die weitverbreitete Schattenwirtschaft zur Verbesserung des konjunkturellen Klimas beigetragen.

Die Schattenwirtschaft spiegelt sich in den offiziellen Wachstumsstatistiken zwar nicht wieder. Doch am Schwarzmarkt verdientes Geld kann später zusätzlich legal ausgegeben werden, etwa für den Konsum.

Die Schattenwirtschaft hat in Italien eine enorme Dimension, sie macht laut dem jüngsten Bericht der Regierungskommission mindesten 20 Prozent der Wirtschaftsleistung aus. Die vom Fiskus nicht erfasste Wirtschaft wächst mindestens doppelt so stark wie die offizielle Wirtschaft. Mehr als 100 Milliarden Euro entgehen der Staatskasse jährlich durch Steuerhinterziehung.

Besonders groß ist die Hinterziehung bei der Mehrwertsteuer, die auf rund 40 Prozent der nicht versteuerten Gewinne taxiert wird. An der Situation ändern auch Finanzkontrollen wenig, denn die Vergangenheit zeigt: Meist trifft es nur die "kleinen Fische". Für Betrüger im großen Stil gab es immer wieder großzügige Straferlasse.

Die Industrieproduktion ist im ersten Halbjahr um fünf Prozent gestiegen, die Exporte zogen um acht Prozent an. Von der Erholung haben primär Maschinenbau und metallverarbeitende Industrie profitiert, aber auch die Pharmaindustrie verzeichnete Zuwächse. (Thesy Kness-Bastaroli aus Mailand, 30.10.2017)