Beate Zschäpe im Gerichtssaal

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München – Die Plädoyers im NSU-Prozess offenbaren immer mehr Differenzen zwischen Anklage und Nebenklage. Ein Opfer-Vertreter bezweifelt, dass die drei Verdächtigen erst nach ihrem Abtauchen eine terroristische Vereinigung bildeten.

Die Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" ist nach Überzeugung eines Nebenklägers im NSU-Prozess um mutmaßliche deutsche Rechtsterroristen nicht erst nach dem Abtauchen seiner Mitglieder gegründet worden.

Tatsächlich hätten sich Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt schon zwei Jahre vorher als fremdenfeindliches Terror-Trio zusammengefunden, sagte Rechtsanwalt Peer Stolle am Donnerstag vor dem Oberlandesgericht München. Das NSU-Trio war im Jänner 1998 untergetaucht. In den folgenden fast 13 Jahren reisten Mundlos und Böhnhardt laut Anklage durch Deutschland, ermordeten zehn Menschen und verübten zwei Sprengstoffanschläge.

Rassistische Motive

Neun der Mordopfer waren türkisch- oder griechischstämmige Gewerbetreibende. Laut Bundesanwaltschaft hatten sich Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt mit ihrem Abtauchen entschlossen, aus rassistischen Motiven Verbrechen zu verüben.

Dieser Entschluss sei aber schon zwei Jahre vorher gefallen, meinte Opferanwalt Stolle. Das NSU-Trio sei dabei auch nicht allein gewesen. Zusammen mit anderen hätten sie Sprengstoff beschafft, mit Bombenattrappen und Briefbomben Angst und Schrecken verbreitet und ihre Aktionen immer weiter eskaliert. Der nächste logische Schritt sei ein echter Sprengstoffanschlag gewesen, den sie dann nach dem Abtauchen verübten. Andere Mitglieder der Gruppe hätten nicht abtauchen müssen, weil die Polizei nicht nach ihnen suchte.

Hintergrund für das Entstehen des NSU war nach Überzeugung des Anwalts die gesellschaftliche Situation nach dem Ende der DDR. Anfang der 1990er-Jahre habe es im Osten Deutschlands keine Vorbilder und keine akzeptierten staatlichen Stellen mehr gegeben. Stattdessen habe sich eine rechtsradikale Jugendszene entwickelt.

Rechtsanwalt Stolle vertritt im NSU-Prozess einen Sohn des in Dortmund ermordeten Kioskbetreibers Mehmet Kubasik. Anders als die Witwe und die Tochter des Ermordeten wolle sein Mandant nicht öffentlich auftreten, sagte der Anwalt. (APA, dpa, 23.11.2017)