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Schulz und Merkel wollen nicht nur Händeschütteln, sondern auch schneller verhandeln.

Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa via AP

Berlin – Mit Beratungen über den finanziellen Spielraum in dieser Legislaturperiode haben am Sonntag die Sondierungsgespräche von Union und SPD begonnen. Nach Angaben der CDU-Ministerpräsidenten von Hessen und Sachsen-Anhalt, Volker Bouffier und Reiner Haseloff, dürfte dieser so hoch liegen wie bei den gescheiterten Jamaika-Sondierungen. Im November hatten sich CDU, CSU, Grüne und FDP darauf verständigt, dass der finanzielle Spielraum bis 2021 bei 40 bis 45 Milliarden Euro liegt. Der SPD-Vorsitzende Martin Schulz und CDU-Chefin Angela Merkel kündigten Tempo bei den Beratungen an. "Fünf Tage bei den Sondierungen müssen reichen, um auszuloten, ob es genügend Gemeinsamkeiten gibt, um dann in Koalitionsgespräche einzusteigen", sagte Schulz im Willy-Brandt-Haus in Berlin. "Wir werden sehr zügig, intensiv arbeiten", sagte Bundeskanzlerin Merkel. CSU-Chef Horst Seehofer mahnte: "Wir müssen uns verständigen."

Nach einer ersten Spitzenrunde der Partei- und Fraktionschefs kamen die jeweils 13 Mitglieder umfassenden Delegationen der drei Parteien zusammen. Nach einer kurzen Beratung in großer Runde tagten am Nachmittag erstmals die geplanten 15 Arbeitsgruppen. Die Sondierungsgespräche sollen am Donnerstag beendet werden. Die Gespräche finden abwechselnd in den Parteizentralen von CDU und SPD sowie in der bayerischen Landesvertretung in Berlin statt.

Zweifel an Neuauflage der Groko

Kurz vor Beginn der Sondierungen mit der Union hat SPD-Vizechefin Natascha Kohnen Zweifel an der Neuauflage einer schwarz-roten Regierung in Deutschland geäußert. "Ich bin äußerst skeptisch. Ich bin keineswegs sicher, dass es eine große Koalition geben wird", sagte Kohnen den Zeitungen der Funke Mediengruppe vom Samstag. Ihr fehle noch ausreichendes Vertrauen in die Union.

Man müsse abwarten, ob CDU und CSU stark genug seien, bei den heute Sonntag startenden Gesprächen weitreichende Zugeständnisse zu machen. Kritik übte die Vorsitzende der Bayern-SPD an den Unionsforderungen in der Flüchtlingspolitik wie etwa einen verlängerten Stopp des Familiennachzugs und eine Kürzung von Leistungen für Asylbewerber. Auch in der Gesundheitspolitik könne es schwierig werden.

"Mutig" neue Regierungsmöglichkeiten ausprobieren

Bei einem Scheitern der Gespräche hält Kohnen eine von der SPD tolerierte Minderheitsregierung für denkbar, auch wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) das nicht wolle. Man müsse mutiger werden und neue Regierungsmöglichkeiten ausprobieren. Es sei auch nicht auszuschließen, dass die Union mit einer harten Haltung bei einigen Themen "am Ende Neuwahlen provoziert".

Auch in der nordrhein-westfälischen SPD wurden kurz vor den Sondierungen mit der Union massive Vorbehalte gegen ein neues schwarz-rotes Regierungsbündnis im Bund laut. "In meiner Landtagsfraktion gibt es keinen einzigen Abgeordneten, der bislang Sympathie für eine erneute große Koalition erkennen lassen hat.

Römer: "Union wird inhaltlich an Schmerzgrenze gehen müssen"

Das ist anders als noch vor vier Jahren", sagte der Vorsitzende der SPD-Fraktion im Düsseldorfer Landtag, Norbert Römer, den Zeitungen des RedaktionsNetzwerks Deutschland vom Samstag. Seine Partei habe ein tiefes Unbehagen. In der Vergangenheit habe die SPD schmerzlich lernen müssen, wie wenig das Wort von CDU und CSU Wert sei. "Anders gesagt: Wir trauen Frau Merkel und ihrer Truppe nicht mehr über den Weg."

Römer forderte die Union zu weitreichenden Zugeständnissen auf. "Wenn die SPD noch einmal in eine große Koalition gehen soll, wird die Union inhaltlich an ihre Schmerzgrenze gehen müssen. Und in einigen Punkten auch darüber hinaus", sagte er.

Die sachgrundlose Befristung von Arbeitsverträgen und die Zwei-Klassen-Medizin müssten weg, das Rentenniveau müsse stabilisiert werden und mittelfristig wieder steigen. Zudem sei eine Regelung für die Schulden der Kommunen nötig. Ihm fehle aber die Fantasie, dass die Union bei all diesen Punkten mitgehe.

SPD-Spitze entscheidet am Freitag

Die SPD-Spitze will am nächsten Freitag entscheiden, ob sie die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen empfiehlt. Dafür müsste dann ein Sonderparteitag am 21. Jänner Grünes Licht geben. In der Partei gibt es dazu aber eine große Skepsis.

SPD-Chef Martin Schulz und der CDU-Vize Thomas Strobl wollen bei den Sondierungsgesprächen keine Zeit verlieren. "Wir machen das jetzt stabil und schnell", sagte der Schulz den "Aachener Nachrichten". Die SPD sei bereit, "in den nächsten fünf Tagen zu einem Abschluss zu kommen". Strobl sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Wir müssen jetzt Gas geben und Tempo machen. Wir müssen schnell Ergebnisse produzieren." Das müsse bis spätestens kommenden Freitag geschehen. "Je früher desto besser."

15 Arbeitsgruppen

CDU/CSU und SPD werden einem Zeitungsbericht zufolge über eine Fortsetzung der Großen Koalition in Deutschland in 15 Arbeitsgruppen verhandeln. Die Parteivorsitzenden Merkel, Schulz und Horst Seehofer (CSU) würden den Komplex Europa zur Chefsache machen und sich ansonsten mit den drei Fraktionsvorsitzenden um das Thema "Arbeitsweise der Koalition" kümmern.

Das berichtete die "Rheinischen Post" im Voraus aus ihrer Samstagsausgabe unter Berufung auf ein ihr vorliegendes Sondierungspapier. Kanzleramtsminister Peter Altmaier übernehme diesmal für die CDU federführend das Thema Finanzen. Bei den abgebrochenen Gesprächen der Union mit der FDP und den Grünen hätte dies noch Finanzstaatssekretär Jens Spahn gemacht, der jetzt nach Altmaier in der Gruppe aufgeführt werde. Die CSU schicke Bayerns designierten Ministerpräsidenten Markus Söder und die SPD Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz in die Finanzgruppe.

Mehrere Politiker sind dem Bericht nach in federführender Doppelfunktion eingeplant: Merkels Staatsminister für Bürokratieabbau, Helge Braun, sowie der neue parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe, Stefan Müller, für Bildung sowie Arbeitsmarkt und Digitalisierung, der baden-württembergische CDU-Innenminister Thomas Strobl für Inneres und Wirtschaft sowie Mecklenburg-Vorpommerns SPD-Ministerpräsidentin Manuela Schwesig für Bildung und Familie und SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil für Bürgerbeteiligung sowie Außenpolitik und Verteidigung. (APA/Reuters, 7.1.2018)