Bei Anschlag am S-Bahnhof Wehrhahn wurden zehn Menschen verletzt.

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Düsseldorf – Knapp 18 Jahre nach dem Bombenanschlag am Düsseldorfer S-Bahnhof Wehrhahn beginnt am Donnerstag der Prozess gegen den mutmaßlichen Attentäter. Der 51-jährige Ralf S. muss sich wegen Mordversuchs und Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion vor dem Düsseldorfer Landgericht verantworten. Der Anschlag am 27. Juli 2000 löste in Deutschland Entsetzen aus und fachte die Debatte über rechte Gewalt an.

Bei dem Attentat wurden zehn Angehörige deutschsprachiger Minderheiten aus Osteuropa verletzt, darunter sechs Menschen jüdischen Glaubens. Sie waren am 27. Juli 2000, einem Donnerstag, auf dem Weg von einem Sprachkurs zur S-Bahn, als gegen 15.00 Uhr am Bahnhofszugang ein an einem Zaun deponierter Sprengsatz explodierte.

Ukrainisches Ehepaar getroffen

Besonders schlimm traf die Explosion des in einem Plastiksackerl verborgenen Sprengkörpers ein Ehepaar aus der Ukraine: Die damals 26-jährige Ehefrau verlor bei dem Attentat ihr ungeborenes Kind und musste notoperiert werden, weil ihr der Sprengsatz einen Fuß abgerissen hatte. Ihr 28-jähriger Ehemann erlitt durch Splitter schwere Wunden am ganzen Körper und schwebte tagelang in akuter Lebensgefahr.

Die Polizei ermittelte von Anfang an mit Hochdruck: Sie verfolgte schon in den ersten Wochen 291 Spuren, prüfte mehr als 900 Hinweise aus der Bevölkerung und protokollierte mehr als tausend Vernehmungen und Befragungen – letztlich ohne greifbares Ergebnis. Der naheliegende Verdacht, dass es sich womöglich um ein ausländerfeindliches Attentat handeln könnte, ließ sich damals nicht erhärten.

"Wehrübung der aufrechten Demokraten"

Dennoch entfachte der Anschlag von Düsseldorf eine politische Diskussion über den Kampf gewaltbereiter Rechtsextremisten. Nordrhein-Westfalens damaliger Innenminister Fritz Behrens (SPD) ließ sich mit der Äußerung zitieren, im Interesse der wehrhaften Demokratie sei es nun an der "Zeit für eine Wehrübung der aufrechten Demokraten". Die Debatte mündete schließlich in das erste NPD-Verbotsverfahren, das 2003 vor dem deutschen Verfassungsgericht scheiterte.

Auf der Suche nach dem Wehrhahn-Attentäter wurde nach dem Auffliegen des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) Ende 2011 auch eine Täterschaft der rechtsextremen Zelle geprüft. Doch der Verdacht bestätigte sich nicht – die Ermittlungen ergaben, dass das NSU-Trio Beate Zschäpe, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos mit dem Wehrhahn-Anschlag nichts zu tun hatte.

Erst im Juni 2014 kam durch einen Hinweis eines Häftlings wieder Bewegung in die festgefahrenen Ermittlungen. Der Inhaftierte berichtete von seinem Mitinsassen Ralf S., der sich mit dem Anschlag "gebrüstet" habe. Die Ermittler rollten daraufhin den Fall komplett neu auf und ließen S. schließlich vor einem Jahr von einem Sondereinsatzkommando in Ratingen bei Düsseldorf festnehmen.

S. soll den mit verunreinigtem TNT gefüllten Sprengsatz selbst hergestellt und ferngezündet haben. Die Polizei verhörte den Mann bereits unmittelbar nach dem Anschlag stundenlang und überwachte ihn später auch, ohne aber Beweise für seine Täterschaft zu finden. Zur Tatzeit betrieb der mutmaßliche Bombenleger unweit des Tatorts einen Militariahandel und war dort als Neonazi bekannt.

Bei einer Verurteilung droht S. nun eine langjährige Freiheitsstrafe, womöglich sogar lebenslange Haft. Für den Prozess gegen den 51-Jährigen beraumte die Düsseldorfer Strafkammer zunächst 37 Verhandlungstage bis zum 17. Juli an. (APA, 22.1.2018)